Wer bin ich eigentlich? Sich selbst wiederfinden nach einer Essstörung
„Wie viele Kalorien habe ich heute schon zu mir genommen? Und wie viele verbraucht? Nachrechnen, wieder und wieder, alle paar Minuten. Jeden Tag, jahrelang.“ So ging es Katharina in ihrer Essstörung. Freunde treffen, Lesen, Filme schauen, bedenkenlos auf dem Sofa liegen, war für sie unmöglich. Immer wieder funkte das „Kaloriengrübeln“ dazwischen. Wer sie eigentlich war, spürte sie nicht mehr. Hier erzählt sie, wie sie wieder lernen will, Katharina zu sein.
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So wollte ich nicht weiterleben!
Mit meiner Essstörung verlor ich nach und nach die Freude an allem. Ich konnte nur noch zufrieden mit mir sein, wenn ich ausreichend Sport gemacht und gehungert hatte. Die Tagesbilanz musste stimmen. Und wenn mein Gehirn mal kurz nicht daran dachte, war da nur noch Leere.
Irgendwann war ich an dem Punkt angelangt, an dem mir klar wurde, dass ich so nicht weiterleben wollte. Auf der einen Seite war ich körperlich komplett kraftlos – manchmal fühlte sich sogar einfach nur daliegen und atmen zu anstrengend an. Auf der anderen Seite hatte ich auch den Kontakt zu mir, meinem eigentlichen Ich komplett verloren.
Mir wurde nach und nach klar, dass es an meinem Essverhalten lag, dass ich so wenig Kraft hatte. Außerdem erkannte ich, dass ich aufgrund meiner Essstörung oft Entscheidungen traf, die mich eigentlich unglücklich machten und quälten. Ich entschied für die Essstörung, nicht für mich. Doch diese beiden Erkenntnisse waren der erste wichtige Schritt in ein Leben ohne Essstörung. Ich wollte lernen, wieder frei zu sein und mein Leben selbst zu gestalten.
Ich bin nicht meine Essstörung
Mit dieser Erkenntnis machte ich mich auf die Suche zurück zu mir selbst. Da ich kein Gefühl mehr dafür hatte, was ich eigentlich mochte, habe ich angefangen, mir selbst Fragen zu stellen. Sie haben mir geholfen, mich selbst wieder kennenzulernen – bis heute.
„Was habe ich früher gerne gemacht?“
Die eigenen Gedanken unter Kontrolle zu bekommen, nicht ständig wieder ans Essen zu denken, fiel mir sehr schwer, weshalb ich mich erst einmal auf Aktivitäten konzentriert habe. So habe ich mir eine Liste mit den Dingen geschrieben, die ich früher gerne gemacht habe. Darauf stand dann unter anderem: Am Wochenende einen ganzen Tag im Bett verbringen und ein Buch lesen. Die Nachmittage bei Freundinnen verbringen, ins Bett gekuschelt quatschen und Musik hören oder Kekse backen. Kreuzworträtsel lösen. Spazieren gehen, einfach so. Filmabende mit Freunden. Schreiben.
Ich habe versucht, mich daran zu erinnern, warum ich diese Dinge mochte und wie ich mich dabei gefühlt habe. Auch das habe ich mir aufgeschrieben, um den Kontakt zu meinen Empfindungen wiederzufinden. Da steht dann zum Beispiel:
- Einen Nachmittag bei einer Freundin verbringen. → Ausgelassenheit, Wärme, Intimität, Spaß.
- Spazieren gehen. → Freiheit, eine angenehme Distanz zur Welt und meinen Pflichten, Ruhe.
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Ins Tun kommen: Schritt für Schritt
Anschließend habe ich versucht, diesen Aktivitäten, bei denen ich mich früher sehr wohlfühlte, wieder Raum in meinem Leben zu geben. Dabei bin ich in kleinen Schritten vorgegangen und habe Abmachungen mit mir selbst getroffen. Ich habe mir zum Beispiel ein Buch genommen und versucht, eine halbe Stunde zu lesen. Eine halbe Stunde, ohne dabei ans Essen zu denken. Danach durfte ich wieder.
Oder ich habe mit mir vereinbart, spazieren statt joggen zu gehen, und versucht, die Eindrücke der Natur ganz bewusst wahrzunehmen und zu genießen. Ohne dabei an die Kalorien zu denken, die ich dabei verbrauchte.
„Was waren früher meine Themen?“
Worüber habe ich früher eigentlich gerne gesprochen, nachgedacht, herumphilosophiert? Auch diese Frage musste ich mir stellen. Und da stellte ich fest, dass das mal ganz schön tolle Sachen waren: meine Lieblingsbücher, Geschichten, die ich selbst geschrieben habe, Tiere, das Alte Ägypten, Mythologie.
Auch hierzu habe ich mir Listen gemacht und versucht, mich wieder neu für diese Themen zu begeistern. Immer mit der Frage im Hinterkopf, was mich früher daran so fasziniert hat, aber ohne diese Empfindung zu werten oder in Frage zu stellen. Dann habe ich angefangen, mich wieder mehr über diese Themen zu informieren und mit anderen Menschen darüber zu sprechen.
„Welche Werte sind mir wichtig?“
Meine eigentlichen Werte, nach denen ich mein Leben ausrichten wollte, hatten sich während der Essstörung zwar nicht geändert, aber sie waren aufgrund der Essstörung in den Hintergrund gerückt.
Zum Beispiel habe ich mich einmal dazu entschieden, joggen zu gehen, anstatt einem Menschen, der mir sehr wichtig ist, zu helfen. Das war auch ein sehr markantes Erlebnis für mich, das mir zeigte, dass ich so nicht sein will. Ich habe mich gefragt, nach welchen Werten ich leben möchte und in welchen konkreten Situationen ich mich gegen die Stimme der Essstörung und für meine eigentlichen Werte entscheiden konnte. Heute nehme ich mir Zeit in mich hineinzuhören und mich möglichst dann für meine wirklichen Werte zu entscheiden. Meistens gelingt mir das auch.
„Was sind meine Stärken und wie kann ich sie ausbauen?“
Wenn ich etwas mache, das ich gut kann, fühle ich mich gut. Was konnte ich also gut außer Kalorienzählen? Wieder schrieb ich mir eine Liste und darauf stand dann: Schreiben, Yoga, Zuhören, neugierig auf Neues sein, verrückt sein und die Menschen in meiner Umgebung zum Lachen bringen.
Der letzte Punkt stammte übrigens von einer Freundin, mit der ich über mein Selbstfindungsproblem gesprochen habe. Und das war auch etwas, das mir sehr weitergeholfen hat: Mit meiner Familie, meinen Freunden zu sprechen, sie zu fragen, was sie von mir in Erinnerung haben, bevor die Essstörung mein ganzes Leben übernommen hatte.
„Worin möchte ich gerne erfolgreich sein?“
Auf welchen Gebieten wollte ich wieder Erfolge haben, die nichts mit dem Thema Essen zu tun haben? Was kann ich dafür tun? Ich habe zum Beispiel wieder mit dem Schreiben von Geschichten begonnen und sie anderen gezeigt. Ihre Anerkennung dafür hat mir sehr gutgetan – und tut es heute noch.
„Wer bin ich also?“
Gewappnet mit diesen ganzen Listen habe ich dann versucht, wieder der Mensch zu werden, der ich eigentlich sein wollte und bin. Bis heute befinde ich mich noch auf dem Weg, aber über Essen denke ich schon lange nicht mehr so viel nach. Ich kann einen Nachmittag mit Lesen statt mit Sport verbringen, ohne dass es mich unerträglich quält, ich schreibe wieder, liege manchmal einfach nur im Bett und höre Musik oder telefoniere mit einer Freundin. Es ist ein langer Weg auf dem ich mich befinde. Und ich gehe ihn weiter. Jeden Tag.
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