Egal, was andere sagen: Mein Mutausbruch
Du möchtest schon länger ein Vorhaben in die Tat umsetzen, fürchtest dich aber vor der Meinung anderer? So ging es mir bis vor kurzem auch. Aber dann habe ich mir einfach die Haare abrasiert…
Plötzlich war ich in der Situation, dass ich mit geflochtenen Haaren auf einem Stuhl saß und eine Schere in der Hand hielt, um mir die Zöpfe abzuschneiden. Ich war ganz ruhig und auf die Sache konzentriert. Nach dem ersten Schnitt wuchs die Neugierde darüber, wie ich wohl ohne Haare aussehen würde. Seit etwas über einem halben Jahr hatte ich rot gefärbte Haare, die mir fast bis zur Brust gingen und diese sollten jetzt einer Vier-Millimeter-Frisur weichen. Das war vor anderthalb Monaten. Jetzt war ich nur noch wenige Schnitte von der Kurzhaarfrisur entfernt.
Was du und ich von meinem rasierten Kopf lernen können

Gesät wurde der Samen zu dieser Idee in mir, als ich im letzten Jahr ein Studienprojekt zum Thema „Was ist normal?“ durchführte. Jeder aus unserer Gruppe machte ein Selbstexperiment. Ich fuhr mit einem Rollstuhl durch die Stadt, ein paar meiner Gruppenmitglieder färbten sich die Haare und ein Gruppenmitglied veränderte ihr Verhalten in der Gruppe auffällig. Doch auf meinen Vorschlag hin, dass sich jemand die Haare abrasieren könnte, reagierten alle schockiert. Niemand wollte es ausprobieren. Färben? Klar. Abschneiden? Nein, danke. Ich fragte mich, warum das auf solch große Ablehnung stößt. Für mich waren es nur Haare. Doch gewagt habe ich es trotzdem nicht. Ich brauchte noch etwas Zeit.
Dann sah ich, wie einige Youtuber, denen ich folgte, sich einfach die Haare abrasierten. Ich fand’s so cool und schob das Vorhaben dennoch weiter vor mir her. Bis mir klar wurde: Ich möchte es einmal in meinem Leben tun. Einfach mal die Haare abrasieren, die Freiheit spüren, meine Kopfform sehen, aus der Dusche kommen und sofort trockene Haare haben und auch meine natürliche Haarfarbe mal wieder herauswachsen lassen. Ich fragte mich auch: würde ich mich ohne Haare schön finden? Eines war auf jeden Fall klar: Wenn nicht jetzt, dann nie. Also holte ich die Schere raus.
„Du bist aber mutig!“

Im Vorhinein sprach ich mit ein paar Leuten aus meinem Umfeld darüber, ob ich mir die Haare abrasieren soll. Die meisten konnten es nicht nachvollziehen und nahmen mich nicht ernst. An dem Tag, als ich dann wirklich den Rasierer in die Hand nahm, wusste ich, dass ich es niemandem erzählen durfte, sonst hätte ich es mir wieder ausreden lassen. Als mein Freund am Abend nach Hause kam, habe ich den schockiertesten Gesichtsausdrucks meines Lebens gesehen. Er konnte einfach nicht fassen, was ich getan hatte. Meine Mutter fand es witzig. Sie sagte, ich sähe aus, wie frisch aus dem Ei gepellt.
An dem Tag, als ich das erste Mal wieder zur Arbeit kam, wurde mir erst bewusst, was ich getan hatte und wie viele Menschen mich mit meiner neuen Frisur sehen würden. Ich arbeite am Empfang eines Unternehmens mit etwas über 100 Mitarbeitern. Jeder muss an mir vorbei. Ich hatte solche Bauchschmerzen, weil ich mich vor einigen Kommentaren fürchtete. Aber am Ende war es nicht einmal halb so schlimm. Ja, gefühlt jeder fragte mich, warum ich es getan habe. Jedem gab ich eine andere Antwort ̶ ich hatte einfach zu viele Gründe. Und ich kann gar nicht sagen, wie oft mir gesagt wurde, wie mutig es sei, was ich getan habe. Am interessantesten war für mich aber, dass mir jeder seine Meinung mitteilen musste. Ich habe mit meiner Frisur wohl etwas in den Menschen provoziert.
Ich durfte mir sogar anhören, dass ich mit den kurzen Haaren älter aussähe. Dem entgegnete ich aber direkt: „Wer nichts Nettes zu sagen hat, sollte lieber nichts sagen“. Seitdem redet der Kollege nicht mehr mit mir ̶ das ist auch besser so. Im Großen und Ganzen aber habe ich meistens positive Reaktionen erlebt. Eine sagte beispielsweise zu mir, dass mein Gesicht jetzt zarter aussähe. Das hat mich wirklich sehr überrascht. Aber ja, ich muss zugeben, durch die kurzen Haare kommt mein Gesicht einfach besser zur Geltung.
Wenn ich durch die Stadt gehe, bemerke ich manchmal, dass Menschen mich ansehen. Dann wundere ich mich kurz, was denn so besonders an mir ist und dann fällt mir ein: Ach ja, ich bin ja eine Frau mit kurzen Haaren, stimmt.
Bereue ich es?
Mein Freund fragt mich so manches Mal, ob ich es denn jetzt bereue, meine Haare abrasiert zu haben. Ganz klar: Nein. Diese Erfahrung kann mir keiner mehr nehmen. Und naja, selbst wenn ich es bereuen würde, eines weiß ich ganz sicher: Meine Haare werden wieder wachsen. Ich gebe aber zu, ich freue mich darauf, meine Haare wieder wachsen zu sehen. Und ich kann es kaum erwarten, wieder etwas mit ihnen anstellen zu können. Denn wenn ich ehrlich bin, vermisse ich es schon ein wenig, meine Haare zu stylen. Aber andererseits ist es einfach großartig, aufzustehen und die Haare sind schon fertig.
Was habe ich daraus gelernt?
Durch das simple Abrasieren meiner Haare habe ich gelernt, dass ich über meinen Körper selbst entscheiden kann und mir niemand reinreden sollte. Und das lässt sich auf das gesamte Leben übertragen. Möchte ich eine Entscheidung treffen, die nur mein eigenes Leben betrifft, dann darf ich diese auch selbst treffen, ohne mir die Erlaubnis bei anderen Menschen zu holen. Ich bin schlagfertiger geworden und sehe keinen Sinn darin, einen Menschen für etwas zu kritisieren, das ganz offensichtlich nicht mehr rückgängig zu machen ist. Ich weiß jetzt, dass ich auch ohne Haare schön bin! Und am Ende wachsen die Haare sowieso nach. Ich hatte nichts zu verlieren, nur zu gewinnen.
Aber nicht jeder muss sich die Haare abrasieren, um Erfahrungen wie diese zu machen. Es gibt viel zu viele Dinge, von denen man sich im Leben abhalten lässt, weil man sich zu sehr von anderen Menschen beeinflussen lässt.
Gibt es etwas, was du bald zum ersten Mal machen wirst? Ich kann dir eines sagen: Die Zeit ist jetzt!
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