Jenseits der Perfektion:
Die Last unrealistischer Schönheitsideale für junge Männer
In einer Ära, die maßgeblich von visuellen Medien und gesellschaftlichen Erwartungen geprägt ist, erleben junge Menschen einen zunehmenden Druck in Bezug auf ihre Körperbilder. Auch wenn es Mädchen und Frauen anders und offensichtlicher trifft, so sind auch Jungs und Männer gesellschaftlichen Erwartungen ausgesetzt. In diesem Beitrag untersucht InCogito-Autor Daniel, welche Folgen unrealistische Schönheitsideale für junge heranwachsende Männer haben können und wie es ihm als schwulen Mann mit diesen Schönheitsidealen geht.
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Die unsichtbare Last: Geschlechtsspezifische Erwartungen und persönliche Erfahrungen
In einer Welt, die von visuellen Medien geprägt ist, stehen junge schwule Männer nicht nur unter dem Druck ästhetischer Normen, sondern auch unter geschlechtsspezifischen Erwartungen. Frauen wurden und werden oft aufgrund äußerer Erscheinung bewertet, während Männer vor allem am finanziellen Erfolg gemessen wurden. Dieser Druck manifestiert sich in persönlichen Erfahrungen, wie dem Streben nach einem idealen Körperbild, um gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen. Auch wenn Körperbilder und -erwartungen konstant im Wandel sind, so zeigen populäre Influencer wie Andrew Tate, dass Unsicherheiten und Anforderungen an und um Männlichkeit profitabel sind.
Bigorexia: Die verzerrte Selbstwahrnehmung
Ständig perfekt bearbeitete Körper in Sozialen Medien zu sehen, kann die Erwartung hervorrufen, selber so aussehen zu müssen. Wenn dann die Erkenntnis eintrifft, dass man nicht so aussieht, dann fragt man sich, warum. Muskelaufbau braucht jedoch ewig. Und das verraten einem Influencer nicht, die einem ein Sechs-Wochen-Sixpack-Programm verkaufen wollen. Sie verraten einem auch nicht, dass die Gefahr besteht, niemals zufrieden zu sein. Denn die Körpererwartungen, denen wir ausgesetzt sind, setzen ein „niemals zufrieden, immer nach mehr streben“ voraus. „Bigorexia“, auch als Muskeldysmorphie bekannt, ist der von Mediziner:innen dafür genutzte Begriff. Es ist eine psychische Störung, bei der Betroffene eine verzerrte Wahrnehmung ihres eigenen Körpers haben. Trotz objektiver Muskulosität fühlen sie sich unzureichend muskulös, was zu extremen Fitness- und Ernährungsverhalten führt. Auf sozialen Netzwerken wird dieser Druck verstärkt, indem Nutzer:innen scheinbar „perfekte“ Körper präsentieren. Dass diese Körper jedoch nicht immer nur das Resultat von jahrelangem Training und Ernährung sind, sondern durch Bildbearbeitungen und auch Dopingmitteln erzielt wurden, bleibt aus. Stattdessen sehen wir auf Social Media das Ideal, 365 Tage in Form und „lean“ zu sein – also einen möglichst geringen Körperfettanteil für sichtbare Bauchmuskeln zu haben. Dies ist nicht nur für die meisten Menschen unrealistisch, sondern auch gefährlich.
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Die Rolle der Vorbilder und der Einfluss der Medien
Vorbilder aus dem Fitnessbereich können inspirierend, aber auch problematisch sein. Der Lebensstil, der stark auf körperliche Ästhetik ausgerichtet ist, vermittelt den Eindruck, dass nur ein muskulöser Körper erstrebenswert ist. Dies kann junge Jugendliche in einen Teufelskreis aus ständigem Training und restriktiver Ernährung führen. Die ständige Präsenz unrealistischer Körperbilder auf Plattformen wie TikTok und Instagram verstärkt diesen Druck weiter. Außerdem reden kaum Menschen darüber, dass ihre Ergebnisse mit Steroiden und anderen leistungssteigernden Mitteln erzielt wurden. Was realistisch erreichbar ist, ist nicht das, was auf Social-Media zu sehen ist. Der Standard ist somit nicht nur das Bearbeiten von Bildern, sondern im Vorfeld Steroide und Anabolika zu nehmen. Das Aussehen vieler Influencer:innen ist somit schlicht unrealistisch. Dass das jedoch nicht so kommuniziert wird, ist ursächlich dafür, dass dann junge Menschen unrealistische Erwartungen an sich und ihren Körper haben.
Gesundheitliche Risiken und psychologische Auswirkungen
Der obsessiven Sorge um Muskelmasse und dem Idealbild folgend können ernährungsbedingte und physische Gesundheitsprobleme entstehen. Übermäßige Proteinzufuhr und überintensives Training belasten nicht nur die Nieren, sondern können auch Verletzungen und Langzeitschäden verursachen. Psychisch leiden Betroffene besonders unter dem ständigen Gefühl der Unzulänglichkeit, was zu Depressionen, Angststörungen und geringem Selbstwertgefühl führen kann. Fitness und Sport müssen nicht zu negativen Auswirkungen führen, aber es kann, sobald ein Leidensdruck entsteht. Sobald man sich in seinem Essverhalten zwanghaft fühlt. Als würde man sich jetzt zwingen müssen, das gesündeste Essen zu wählen oder gänzlich auf Nährstoffe wie Kohlenhydrate zu verzichten. Oder soziale Verabredungen konstant absagt und sich lieber dem Sport widmet. Es gibt Menschen, für die ist das ein Lifestyle, der sie glücklich macht, aber es gibt auch Menschen, die diesen Lifestyle zwar befolgen, den es aber nicht glücklich macht und die leiden, weil sie nur gesellschaftliche Erwartungen erfüllen, aber nicht sich selbst.
Meine Erfahrungen: Eine persönliche Reise durch das Labyrinth des Körperdrucks
Meine eigene Geschichte als Heranwachsender und jetzt erwachsener Mann spiegelt die Komplexität des Themas wider. Von meinen Eltern und Großeltern hörte ich oft, ich solle mehr essen und sei zu dünn, obwohl ich mich selbst nicht so empfand. Im Gegenteil, es gab Zeiten, in denen ich glaubte, zu dick zu sein. Sport war für mich lange Zeit kein Thema, was zum Teil durch negative Erfahrungen im Mannschaftssport und im Sportunterricht bedingt war – ein Schicksal, das viele schwule Männer teilen, die Ausgrenzung und Gewalt erlebt haben. Auch wenn ich als Junge das Turnen für mich entdeckte, mied ich mit Beginn der Pubertät Umkleidekabinen – aus der Erfahrung, dort Opfer homophober Angriffe sein zu können. Sport war dann eine sehr lange Zeit kein Thema in meinem Leben.
Erst im Studium, nachdem ich Gewicht zugelegt hatte und andere Männer mich darauf ansprachen, begann ich, mich intensiver mit meinem Körper zu beschäftigen. Die Kritik traf mich tief, und aus der Furcht vor Ablehnung fing ich an, meinen Körper zu verändern. Während der Pandemie verlor ich 10 Kilogramm und begann exzessiv Sport zu treiben. Mein Ziel war es, Körperfett zu verlieren und Muskeln aufzubauen. Dieses neue Selbstbild brachte zwar körperliche Verbesserungen und Anerkennung, doch der psychische Preis war hoch. Ich ließ soziale Kontakte schleifen und verfolgte ein rigides Ernährungs- und Trainingsregime. Es fiel mir schwer, mit Freund:innen gemeinsam spontan was essen zu gehen. Viele Lebensmittel empfand ich als kategorisch ungesund. Anstatt dann diese für mich „unsinnigen“ Lebensmittel zu mir zu nehmen, aß ich lieber nichts. Und das, obwohl ich eigentlich gerne mit meinen Freund:innen gemeinsam esse. Meine Angst, fett zu werden oder aber bereits als fett wahrgenommen zu werden, war jedoch größer.
Die Suche nach Normalität als schwuler Mann
Das Gefühl, alleine zu sein und nicht der Norm zu entsprechen, ist eine zutiefst einsame Erfahrung. Als junger, heranwachsender schwuler Mann fühlte ich mich oft als „nicht normal“, ein Eindruck, den mir meine Umgebung widergespiegelt hatte. In einer Gesellschaft, die von Normen und Erwartungen geprägt ist, ist dieses Empfinden für queere Menschen leider allzu oft Realität. Das Bewusstsein, neben meiner Sexualität weitere „Makel“ zu besitzen, die mein Leben erschweren, erfüllte mich mit großer Sorge. Ich strebte danach, bloß nicht aufzufallen. Erfahrungen mit Mobbing und Hasskriminalität aufgrund meiner Sexualität verstärkten meinen Wunsch, wie ein „normaler“ Mann aussehen und wirken zu wollen.
Die Herausforderungen des schwulen Datings
Auch heute noch leben viele queere Menschen, selbst in Ländern wie Deutschland, im Verborgenen. Dies beeinflusst das Miteinander unter schwulen Männern. Als begehrenswert gelten oft jene, die dem Idealbild von Männlichkeit entsprechen. Feminine, übergewichtige oder auf andere Weise aus dem üblichen Raster fallende Personen haben es beispielsweise schwerer, Dates oder gar Beziehungen zu finden. Im Gegensatz zu heterosexuellen Konstellationen findet das schwule Daten fast ausschließlich abseits der Öffentlichkeit statt. Ein Flirtversuch mit einer attraktiven und sympathischen Person in einem Café könnte im schlimmsten Fall zu einer gewalttätigen Konfrontation führen. Denn viele Männer, die selbst auf unterschiedlichste und teilweise übergriffige Weise Frauen ansprechen, fühlen sich unwohl, wenn sie von einem anderen Mann begehrt werden. Daher hat sich das schwule Dating heutzutage stark ins Internet verlagert. Dort entscheiden letztlich Profilbilder über Sympathie oder Ablehnung. Wer sich in Großstädten wie Berlin auf einer schwulen Dating-App wie Grindr einloggt, sieht oft vor allem durchtrainierte Körper, häufig ohne ein erkennbares Gesicht im Profil. Die Darstellung ist somit stark auf Körperlichkeit reduziert. Und jene, die den Anforderungen eines gesunden, jungen und attraktiven Körpers nicht entsprechen, fallen raus.
Lange sehnte ich mich nach Stabilität und Halt in einer Beziehung, um mit einem Partner gemeinsam eine Art von Normalität zu erleben. Doch diese Sehnsucht blieb mir bis in meine Zwanziger verwehrt. Lange Zeit machte ich mein Aussehen dafür verantwortlich, bis ich erkannte, dass nicht ich das Problem bin, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen wir leben.
Der Anstieg von Schönheitseingriffen und der Weg zu einem gesunden Umgang
Die steigende Zahl von Schönheitseingriffen bei Männern verdeutlicht, dass der Druck, einem Idealbild zu entsprechen, real ist. Ob Haartransplantation in der Türkei oder eine Nasenkorrektur – auch Männer versuchen, sich nicht erst seit gestern chirurgisch aufzubessern. Dabei sind Operationen an sich nichts Schlechtes. Aber wir sollten uns fragen, warum diese unternommen werden. Wenn die Gesellschaft uns nicht Unsicherheiten einreden würde, wären Filler und Botox dann so beliebt? Und am Ende des Tages sind es auch Unternehmen und Personen, die viel Geld daran verdienen, uns diese Unsicherheiten einzureden und daran zu profitieren. Es ist entscheidend, einen gesunden Umgang mit diesen Herausforderungen zu finden. Und das ist möglich. Der erste Schritt ist, sich mit Menschen zu umgeben, die Selbstakzeptanz fördern und praktizieren. Communities sollten Vielfalt feiern und toxischen Einflüssen entgegenwirken.
Fazit: Bewusstsein schaffen und Lösungen suchen
Die Auseinandersetzung mit dem Körperbild bei jungen Männern verdeutlicht, dass der Druck, bestimmten Erwartungen zu entsprechen, tiefgreifende psychische und physische Auswirkungen haben kann. Es ist an der Zeit, sich dieser Herausforderungen bewusst zu werden und aktiv nach Lösungen zu suchen. Aber auch die Verantwortlichen und Profiteure der Schönheits- und Gesundheitsindustrie müssen in Verantwortung genommen werden. Es ist an der Zeit, dass die Andrew Tates dieser Welt nicht länger ihren Lebensunterhalt damit verdienen, jungen Männern Unsicherheiten einzureden. Eine gesellschaftliche Veränderung hin zu einem gesünderen und vielfältigeren Körperbild ist unabdingbar. Nur so können junge Menschen ein erfülltes Leben führen – frei von den Fesseln unrealistischer Perfektionsbilder.
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Anina
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