Setpoint und BMI

Von Set-Point, BMI und Körpergewicht

Autorin Annabell

Annabell, 24

Was würde eigentlich jemand vom Fach dazu sagen, was der Set-Point ist, ob man Angst haben muss von einer Essstörung in die nächste zu rutschen und was nötig ist, um die Drehtür Essstörungserkrankung zu verlassen? Annabell hat Ihrer Ernährungstherapeutin auf den Zahn gefühlt und viele spannende Antworten bekommen. Am besten du liest dir zunächst den ersten Teil des Interviews durch, wo schon viele grundlegende Fragen beantwortet wurden. 

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Annabell: „Schön, dass Sie sich nochmal die Zeit für mich genommen haben. Mir sind nach unserem letzten Treffen noch einige weitere Fragen eingefallen. Außerdem würde ich bei einigen Themen gerne noch tiefer einsteigen.“

Frau Pabst: „Super gerne. Die Welt der Ernährungstherapie ist unfassbar vielseitig und faszinierend.“

Kann es passieren, dass man während der Genesung in eine andere Essstörung rutscht, also zum Beispiel von der Anorexie in die Bulimie oder ins Binge Eating?

Es wäre gelogen zu sagen, dass das nicht passieren kann. Genauso wie es gelogen wäre zu sagen, dass Anorexie Erkrankte keine Essanfälle entwickeln können. Und um das nicht eintreten zu lassen, ist es ja so wichtig hinzuschauen, welche Themen wirklich hinter dem Essen/Nicht-Essen stecken, regelmäßig und genug zu essen und auf eine ausgewogene Lebensmittelauswahl zu achten. So kann die Angst einen ständigen Hunger zu spüren und in z.B. die Bulimie zu rutschen, minimiert werden. Symptome, egal ob restriktives oder übermäßiges Essverhalten, sind weder gut noch schlecht, sie sind immer dysfunktional. Jede Essstörung hat eine Funktion, die sich hinter diesen Symptomen versteckt.

Was würden Sie zu einer Patientin sagen, die an sich gesund werden will, aber Angst hat, endlos zuzunehmen?

Das ist tatsächlich eine Angst, die ich oft zu hören bekomme. Hier ist es wichtig auf die Vorgeschichte zu schauen. Wenn die Patientin zum Beispiel bereits vor der Essstörung übergewichtig war, eine unregelmäßige Mahlzeitenstruktur und eine ungesunde Lebensmittelauswahl hatte, ist die Angst angebrachter, als wenn die Patientin vor der Essstörung im Setpoint-Bereich lag und sich somit nur gefühlt im Übergewicht eingeschätzt hat. Denn wie bereits erwähnt, ist eine Essstörung ein Emotionsregulator, dem in diesem Fall nicht vertraut werden kann.

Um Ihnen diese Frage vollständig beantworten zu können, braucht es erstmal noch Hintergrundwissen zum Thema Körpergewicht, Wiegen, Set-Point und Co.

 

Okay, was sagen Sie denn zum Thema Gewicht und Wiegen? Und was ist der Set-Point überhaupt?

Zu Beginn sollte man das Gewicht im Blick behalten. Sprich, zunächst zweimal die Woche wiegen, dann einmal und später in größeren Abständen. Anhand der Gewichtskurve ist oft zu erkennen, dass das Gewicht zu Beginn der Ernährungstherapie einer Anorexie stärker ansteigt. Hier entwickeln sehr viele Patientinnen dann eben auch die Angst, dass es nie mehr aufhört. Doch das Steigen des Gewichts ist zu Beginn vollkommen normal. Ab dem 17/18er BMI normalisiert sich der Stoffwechsel und die Sättigungskurve stellt sich ein. Ab hier kann es teilweise sogar schwer werden noch weiter zuzunehmen. Viele Patientinnen sind dann der Meinung, ihren Set-Point erreicht zu haben. Das ist aber nicht richtig.

Der Set-Point ist ein Gewichtsbereich, den der Körper von Natur aus anstrebt. Im Set-Point-Bereich laufen alle Körperfunktionen so ab, wie sie abzulaufen haben, sprich Kälte- und Wärmeregulation, Hormonhaushalt und störungsfrei funktionierende Organfunktionen. Im Normalfall liegt er im Normalgewicht, also über einem BMI von 20 und kann stabil zwischen ein bis drei Kilo schwanken. Je älter die Person, desto höher der Set-Point, da es im Alter natürlicherweise mehr Reserven braucht. Zudem spielt die Körperzusammensetzung, die sportliche Aktivität und das Geschlecht eine große Rolle. Denn Frauen haben von Natur aus einen höheren Fettanteil.

Sie haben den Begriff BMI erwähnt, inwieweit spielt dieser eine Rolle in der Ernährungstherapie?

Oft wird einem durch die Medien versucht darzustellen, dass ein BMI über 25 schon adipös sei, was für mich nicht unbedingt richtig ist. Es gibt noch ganz andere Einflussfaktoren auf das Gewicht. Beispielsweise haben Menschen mit einem höheren Muskelanteil auch einen höheren BMI, was aber nicht heißt, dass sie adipös sind. Und auch hier gilt sich die Frage zu stellen: möchte ich mich einschränken, nur um an einem niedrigen BMI festzuhalten? Ein BMI kann auch dadurch beeinflusst sein, wie ich mich entscheide zu leben. Legt eine Person großen Wert auf Genuss und möchte sich beispielsweise das tägliche zusätzliche Stück Kuchen am Nachmittag nicht verwehren, welches rein zur Lebensqualität beiträgt und nicht unbedingt für den individuellen Tagesbedarf notwendig wäre, dann sollte sich die Person auch bewusst sein, dass ihr BMI womöglich auch ein wenig höher liegen könnte.

Was sagen Sie zu der Aussage: Einmal Essstörung immer Essstörung?

Es kommt ganz darauf an wie sehr die Patientinnen bereit sind, dysfunktionale Verhaltensweisen aufzugeben, die ja eine Funktion erfüllt haben. Es gibt viele Patientinnen, die es aus der Essstörung raus schaffen, also möglich ist es auf jeden Fall. Je näher Betroffene dem Set-Point kommen und diesen auch beibehalten können, desto realistischer ist es, die Essstörungswelt immer mehr hinter sich zu lassen. Wenn Betroffene sich entscheiden mit der Krankheit zu leben und damit einen Kompromiss mit der Essstörung eingehen, kann dies funktionieren, ist aber deutlich anstrengender. Zum Beispiel wäre es ein Kompromiss mit der Essstörung zu sagen: Ja ich nehme bis zum Normalgewicht zu, aber bleibe im unteren Normalgewichtsbereich. Somit muss sich die Patientin beim Essen immer einschränken, um nicht weiter zuzunehmen. Ein anderes Beispiel wäre ein Kompromiss beim Thema Bewegung: Ja, ich esse genug. Aber nur dann, wenn ich auch mindestens meine x Schritte gegangen bin und mir somit das Essen verdient habe. Kompromisse einzugehen bedeuten also nicht gleich Freiheit. Zu sich selbst ehrlich zu sein, hat auch hier wieder eine super große Wichtigkeit! Die Aussage ist somit nicht wahr, aber auch nicht falsch. Es ist sehr individuell.

Vielen lieben Dank, dass Sie sich erneut die Zeit genommen haben. Ich glaube jetzt kann sie jeder ein Bild machen, was Ernährungstherapie bedeutet.

HIER GEHT ES ZU TEIL 1 DES INTERVIEWS

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In diesem Artikel haben wir uns der Einfachheit halber an die weibliche Form der Personen gehalten. Natürlich gibt es auch männliche Ernährungstherapeuten, Psychotherapeuten und Patienten.

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Kati Oestreicher

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Ernährungstherapie bei Essstörungen

„Ernährungstherapie bei Essstörungen kommt häufig viel zu kurz“

Autorin Annabell

Annabell, 24

Du bist an einer Essstörung erkrankt und denkst Ernährungstherapeut:innen wollen dir nur etwas über gesunde Ernährung erzählen, was du doch eh schon längst weißt? Du denkst in der Ernährungstherapie geht es nur um Essprotokolle und du musst dich ab jetzt penibel an das halten, was deine Ernährungstherapeutin möchte, während die Essstörung auch noch im Hintergrund tobt?

InCogito Autorin Annabell hat eine ganz andere Erfahrung gemacht: In diesem Beitrag erfährst du, welche wichtige Rolle eine Ernährungstherapie bei deiner Essstörungs-Recovery einnehmen kann.

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Annabell: „Um was geht es in so einer Ernährungstherapiestunde bei Ihnen eigentlich? Wie kann ich mir eine Therapiestunde vorstellen? Sprechen wir erstmal Ernährungsprotokolle durch und Sie geben mir einen Ernährungsplan, an den ich mich dann halten muss?“

Frau Pabst: „Ernährungspläne mache ich persönlich gar nicht, weil mir Eigenverantwortung sehr wichtig ist. Ich arbeite zumeist begleitend mit einer App. In dieser kann man unter anderem mit Fotos digital einen Überblick gewinnen, festhalten wie die Tage essenstechnisch so liefen. Ich kann Sie da auch besser begleiten, Unsicherheiten klären oder Bilder kommentieren, die Sie mir schicken. In einer Therapiestunde bei mir bekommen Sie erstmal Richtmengen-Orientierungen, um wieder einen Bezug dazu zu bekommen, was eine „normale“ Portionsgröße ist oder welche Komponenten in jeder Mahlzeit enthalten sein sollten (Kohlenhydrate, Eiweiß, Vitamine, Fett). Zudem sprechen wir über eine regelmäßige Mahlzeitenstruktur und wie diese im Alltag passend umgesetzt werden kann. Bei der Anorexie geht es aber dennoch erstmal um eine Gewichtsnormalisierung, da im Untergewicht die Emotionen nicht so spürbar sind, was eine wichtige Grundlage für die Psychotherapie ist. Später geht’s auch um Einkaufstraining, Expositionen einbauen, gemeinsames Essen gehen und Kochen. Meistens gehe ich in folgenden drei Schritten vor: als Erstes wird die Mahlzeitenstruktur etabliert, als Zweites schauen wir uns die Richtmengen an (die Portionsgrößen und Komponenten) und erst dann gehen wir die Lebensmittelauswahl an inklusive der Flexibilisierung und Einbau von verbotenen Lebensmitteln. Das bedeutet die Richtmengen in den Alltag zu integrieren, intuitiv nach Hunger und Sättigung zu essen oder auf Gelüste zu hören.“

Wann macht Ernährungstherapie Sinn, gibt es den richtigen Zeitpunkt, um sich Hilfe zu holen?

Ernährungstherapie im Rahmen einer Essstörungserkrankung, macht bei Patient:innen fast immer Sinn. Am meisten jedoch dann, wenn Betroffene an ihrem Essverhalten etwas verändern wollen und dazu professionelle Unterstützung benötigen. Fakt ist, es gibt kein „zu früh“ um sich Hilfe zu holen. Auch für Personen, die schon über Jahre mit einer Essstörung zu kämpfen haben, kann es eine gute Anlaufstelle sein, sich für schwierige Zeiten Hilfe zu holen.
Die meisten kommen das erste Mal im teilstationären Setting mit Ernährungstherapie in Berührung. Das ist auch ein Rat, den ich jeder Patientin mitgeben würde: nach einem stationären Aufenthalt zum Step-down, in eine Tagesklinik zu wechseln. Denn im Gegensatz zum stationären Setting, wo man sich gefühlt in einer Käseglocke befindet, geht es in der Tagesklinik darum, den Tag selbst zu planen, die Struktur einzuhalten, die Mahlzeiten in einer Lehrküche und später auch zuhause selbst zuzubereiten. Sprich es geht in erster Linie darum, Eigenverantwortung wieder zu übernehmen und das Gelernte selbstständig im Alltag umzusetzen. Hierfür ist Ernährungstherapie ein elementarer Bestandteil.

Wie und wo kann ich Ernährungstherapie in Anspruch nehmen?

Wie bereits erwähnt findet Ernährungstherapie hauptsächlich im teilstationären Setting statt. Selten wird die Therapie in einem vollstationären Setting engmaschig von dem Baustein der Ernährungstherapie mitbegleitet. Ambulant erklären sich leider nur wenige Krankenkassen dazu bereit, die Kosten zu bezuschussen. Ich appelliere aber an jede einzelne Patientin sich zu überlegen, wie viel ihr die eigene Gesundheit wert ist und ob sie die Ernährungstherapie aus eigener Tasche finanzieren möchte. Ganz arg wichtig ist es allerdings, sich eine Ernährungstherapie zu suchen, die Erfahrung im Bereich Essstörungstherapie hat.

 

Welche Rolle spielt die Ernährungstherapie auf dem Heilungsweg von einer Essstörung aus Ihrer Perspektive?

Ich finde, dass sie eine sehr wichtige Rolle spielt, die aber oft deutlich zu kurz kommt, was man ja schon daran sieht, dass die wenigsten Krankenkassen eine Ernährungstherapie bezahlen. Generell geht es bei der Ernährungstherapie im Bereich von Essstörungen eher weniger darum, was man essen soll, um Nährwerte oder welche Lebensmittel mehr oder weniger Energie haben. Das wissen die meisten selbst ziemlich gut. Psychotherapie und Ernährungstherapie gehen so gut wie immer Hand in Hand und laufen zweigleisig ab. Daher ist mir die Zusammenarbeit mit der behandelnden Psychologin auch so wichtig. Vieles was sich eigentlich auf die Psyche bezieht – Emotionen, wie Ängste, Wut, Traurigkeit, Hilflosigkeit, Einsamkeit oder auch unerfüllte Bedürfnisse, nach Sicherheit, Kontrolle, Stabilität oder Autonomie bilden sich beim Essen ab. Dadurch findet man dann auch Themen beim Essen wieder, die da eigentlich gar nicht hingehören, die Patientin aber nicht berichten würde, weil es ihr gar nicht bewusst ist. Oft sind Patient:innen überrascht, wenn ich rein anhand Ihres Essverhaltens ziemlich sicher sagen kann, womit es ein Thema auf psychologischer Ebene geben könnte.

Warum brauchen Patient:innen die Ernährungstherapie und können nicht direkt mit der Psychotherapie starten? Sie wissen doch selbst schon so viel über Ernährung und Essen.

Das ist ganz einfach zu beantworten, weil die Patient:innen selbst so viel Fokus aufs Thema Essen legen. Damit Sie das besser verstehen, hier folgende Metapher:

Stellen Sie sich vor, Sie haben in Ihrer Wohnung ein Zimmer und da sind all die Erinnerungen, Erlebnisse, Glaubenssätze und Emotionen drinnen, die sie bisher in Ihrem Leben gesammelt haben. Sowohl Positives als auch Negatives. Anfangs war der Raum offen und es war legitim, dass jeder einen Blick reinwerfen durfte. Mit der Zeit ist das Zimmer aber immer voller geworden und dann passiert es, dass man die Tür hinter diesem Chaos schnell zumacht, um niemandem mehr einen Einblick zu gewähren. Allerdings drückt von innen das Durcheinander gegen die Tür. Das ist der Zeitpunkt, an dem die Symptomatik auftritt. Damit die Tür zu bleibt, stellen Sie Stuhl für Stuhl vor die Tür, was im übertragenen Sinne die Symptome sind: Emotionsregulation. Das können nicht nur Symptome der Essstörung sein, sondern auch andere psychische Erkrankungen. Und hier komme ich mit der Ernährungstherapie ins Spiel. Zusammen mit Ihnen räume ich die Essstörungsstühle vor der Tür auf die Seite, damit Sie mit Ihrer Psychotherapeutin hinter die Tür und in den Raum schauen können, um dort aufzuräumen. Bei diesem Prozess werden uns immer wieder kleine Monsterchen in den Weg springen, die sich wehren und die ernst zu nehmen sind, weil sie uns etwas sagen wollen. Diese Monsterchen sind in dieser Geschichte, die prägnantesten Themen, die zur Entwicklung der Erkrankung beigetragen haben. Zudem kann man sich vorstellen, dass die Monsterchen sich an die Tür drücken und quasi von innen schon einen Abdruck durchdrücken, den man sieht, wenn man genau hinschaut. Aber die Patient:innen schauen sich oft nicht das Monsterchen an, sondern die Tür und reden die ganze Zeit nur von dieser, sprich dem Essen, um das es eigentlich gar nicht geht. Deshalb müssen wir uns das Essen schon anschauen, weil es da präsent ist, aber eigentlich wollen wir schauen, was bildet sich da in Form dieses Monstercherns, sprich welches Thema, ab.

Deswegen braucht es oft eine parallele Ernährungstherapie: Um in der Psychotherapie die tieferliegenden Themen zu bearbeiten. Die Genesung geht wesentlich schneller und einfacher, wenn man sich die Symptome in der Ernährungstherapie anschaut.

Was ist Essen in Ihren Augen?

Essen ist mehr als nur eine reine Nahrungszufuhr. Vielmehr ist es auch ein sozialer Wert und eine Genusskomponente. Essen sollte im Normalfall Spaß machen und mit angenehmen Gefühlen in Verbindung gebracht werden. Nehmen wir das Beispiel eines Mädels-Abend mit Cocktails. Der Cocktail führt in erster Linie Energie zu, aber er schmeckt eben auch gut und wird meist in Verbindung mit Freunden, einer tolleren Location und schönen Atmosphäre getrunken. Somit ist dieses Getränk etwas Besonderes und weckt angenehme Verknüpfungen.

Vielen Dank Frau Pabst, dass Sie sich die Zeit genommen haben und mir meine Fragen so detailliert beantworten konnten. Ich habe noch so viel mehr, was ich Sie gerne fragen möchte. Aber ich denke, dafür setzen wir uns wann anders nochmal zusammen, denn das waren schon wirklich viele Informationen.

ZU TEIL 2 DES INTERVIEWS GEHT ES HIER (Verlinkung folgt)

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Dilnoza

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Grund zum Feiern! Wir haben den sächsischen Selbsthilfepreis der Ersatzkassen gewonnen!

Beitrag aus der Redaktion

@in_cogito.de

Mit InCogito bieten wir direkte digitale Selbsthilfe für junge Erwachsene mit Essstörungen, und haben damit einen Raum geschaffen, indem unsere Community (also ihr) sich offen austauschen und sich gegenseitig unterstützen kann. Dafür wurden wir jetzt mit dem Sächsischen Selbsthilfepreis der Ersatzkassen, in der Kategorie „Innovativstes Projekt“ ausgezeichnet.

 

Was macht InCogito besonders? Unser Projekt richtet sich an junge Menschen ab 16 Jahren, die mit belastenden Themen wie Körperbild, Essverhalten und Selbstwertgefühl kämpfen oder erste Anzeichen einer Essstörung bei sich wahrnehmen. Gerade für Jugendliche ist der Zugang zu schnellen, passenden und modernen Unterstützungsangeboten entscheidend, um die Herausforderungen dieser sensiblen Lebensphase zu bewältigen. Hier setzt InCogito an – mit einem Konzept, das bewusst auf digitale Medien und Online-Selbsthilfegruppen setzt und so direkt in die Lebenswelt junger Menschen vordringt. In einer Zeit, in der digitale Plattformen eine immer größere Rolle im Leben junger Menschen spielen, hat InCogito erkannt, wie wichtig es ist, dort präsent zu sein, wo ihr euch aufhaltet.

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Durch diese Online-Angebote wollen wir es euch erleichtern anonym und ortsunabhängig unterstützt zu werden und bilden eine wertvolle Brücke, um Wartezeiten für weiterführende Behandlungsangebote zu überbrücken. Damit leisten wir nicht nur einen Beitrag zur mentalen Gesundheit und Prävention, sondern auch zur Entstigmatisierung von Essstörungen und Selbstwertproblemen.

 

Diese innovative Herangehensweise wurde von der Jury des Selbsthilfepreises gewürdigt. „Gerade in einer Zeit, in der junge Menschen immer früher mit sozialen Medien und den Erwartungen an ein „perfektes“ Körperbild konfrontiert werden, ist es entscheidend, niederschwellige und moderne Angebote zur Verfügung zu stellen“, lobte Michél Henkel unser Projekt. „Mit InCogito schaffen sie einen geschützten Raum, in dem Betroffene Erfahrungen austauschen, sich gegenseitig unterstützen und frühzeitig Hilfe finden können“, so Henkel weiter.

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Die Verleihung des Sächsischen Selbsthilfepreises 2024 unterstreicht die Bedeutung unserer Arbeit und motiviert uns, weiter für unsere Mission zu kämpfen. Wir bedanken uns beim Verbund der Ersatzkassen (vdek) für die Auszeichnung und die Unterstützung. Sie spornt uns an, weiterhin innovative Wege zu gehen, um die gesundheitliche Selbsthilfe voranzubringen und junge Menschen bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen zu begleiten.

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Julia

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Die mediale Repräsentation von Essstörungen

Melanie

Abgemagerte, junge Frauen. Leicht bekleidet vor einem Spiegel. Die Körperhaltung leicht nach vorne gebückt. Die Augen verquollen und leer. Kein Lächeln, kein Ausdruck. Überall stehen die Knochen hervor. Stechen aus der Haut die aussieht wie helles, brüchiges Papier. Nächstes Foto. Nun noch von hinten. Jeder Wirbel sichtbar. Die dünnen Haare kleben am Rücken.

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Wo kommen diese Bilder her? Wo können sie gesehen werden? Wer kann sie sich anschauen? Was soll mit diesen Fotos bezweckt werden?

Ja es gibt sie. Abgemagerte junge Frauen, die sich tief in ihrer Magersucht zeigen. Jedes Foto mit eigener (Leidens-) Geschichte. Ihnen, denen vermutlich jeder Bissen schwerfällt, die in die Strudel von Bewegungsdrang, Sportsucht, Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, die Liste lässt sich beliebig fortsetzen, geraten und ernsthaft erkrankt sind. Wenn Betroffene sich selbst zeigen, dann verfolgen sie ihre eigenen Intentionen.

Doch welches Bild von Essstörungen wird von außen über die Medien präsentiert?

Eins ist klar: Essstörungen sind oft, aber eben nicht immer sichtbar. Es gibt sie in verschiedenen Ausprägungen und sie hören auch nicht einfach auf, wenn der Körper sein gesundes Gewicht erreicht. Betroffene haben lange mit dysfunktionalem Verhalten, Zwängen und „lauten“ Gedanken zu kämpfen. Eben auch dann, wenn der Körper und seine Funktionen wieder „hergestellt“ sind. Der Heilungsprozess ist ein Marathon, kein Sprint. Es braucht Geduld, Mut, Unterstützung und Zeit. Psycho-Somatik: Körper und Seele müssen gesund werden und das in unterschiedlichem Tempo.

Wir als Betroffene wollen ernstgenommen werden, auch wenn wir keinen BMI von (Achtung Ironie) -12 haben. Jede*r von uns. Essstörungen können töten und es ist an der Zeit das mediale Bild von Betroffenen von Stigma zu befreien. Es geht hier nicht darum die jungen Frauen, welche im starken Untergewicht sind zu verurteilen. Ganz im Gegenteil. Sie brauchen dringend Hilfe und Unterstützung.

Hier geht es aber darum das mediale Bild von Essstörungen von außen zu verändern, denn nur so können sich Betroffene rechtzeitig angesprochen und in ihrem Leidensdruck ernstgenommen fühlen. Sie sollten ermutigt werden sich Hilfe zu holen und nicht erst dann, wenn irreparable Schäden an Körper und Seele passiert sind.

Was brauchen wir als Betroffene? Gegenseitiges Empowerment. Plattformen, wo wir uns gesehen und gehört fühlen. Wir brauchen Medien, die richtig aufklären und Essstörungen in ihrer Gänze darstellen. Nur so können sie rechtzeitig entdeckt und behandelt werden und nicht erst dann, wenn es zu spät ist.

Fotos haben Macht und Wirkung. Lasst sie uns achtsam einsetzen.

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Julia Steppat

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Wenn’s Zuhause nicht mehr geht: In einer WG für Menschen mit Essstörungen?

Julia Döhrer

Nach ihrem Klinikaufenthalt 2022 entschied sie sich, in eine WG zu ziehen – eine Entscheidung, die für Julia zur Notwendigkeit wurde. In der WG fand sie die nötige Unterstützung, um sich ihrer Essstörung zu stellen, und erlebte erstmals Verständnis für ihre persönliche Situation. Der Abstand zu Julia’s Familie, besonders zu ihrem empathielosen Vater, war entscheidend, um endlich Heilung und Respekt zu erfahren.

 

Als mir 2022 während meines stationären Klinikaufenthalts dringend empfohlen wurde, nach meiner Entlassung direkt in eine WG zu ziehen, stand ich vor einer unerwarteten, sehr spontanen Entscheidung. Doch im Prinzip hatte ich keine Wahl. Für mich gab es nur die eine Option: WG. In erster Linie musste und wollte ich den Abstand zu meiner Familie gewinnen, vor allem meinem Vater. Seit vielen Jahren litt ich physisch wie psychisch unter der prekären Familiensituation. Der Einzug in eine WG war DIE Chance. Am meisten hatte mich bereits damals motiviert, dass ich im Kampf gegen meine langjährige Essstörung Unterstützung bekomme.

Sei es in Situationen, in denen ich meiner Essstörung bewusst oder unbewusst zu viel Raum gebe. Es gibt immer Ansprechpartner:innen, die ich um Hilfe bitten kann. Außerdem fühle ich mich in der WG mit meiner Krankheit nicht so allein, weil die Mitbewohnerinnen ähnliche Probleme haben und aufgrund dessen, Verständnis zeigen. Zuhause bin ich mit meiner Essstörung nie wirklich ernst genommen worden. Das Miteinander in der WG war ein weiterer Grund, der mich dazu gebracht hat einzuziehen. Zuhause hat das nicht funktioniert, weil mein Vater vor niemandem wirklich Respekt hat und in keinerlei Hinsicht Empathie für andere zeigt.

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Aller Anfang war… für mich nicht schwer!

Um ehrlich zu sein, fiel es mir keineswegs schwer von zuhause auszuziehen. Lange hatte ich auf diesen Tag gewartet, denn immer häufiger und extremer kam es zum Streit zwischen meinen Eltern, die letztlich kaum noch zuhause waren und wenn, dann war es immer sehr laut (…). Ich hatte während der Zeit, in der ich in der Klinik war, eine Probeübernachtung in meiner zukünftigen WG, um zu schauen, ob ich mir das Konzept und den Alltag dort vorstellen kann. Damals am 15.07.2022 bin ich dann direkt eingezogen, ohne nochmal zuhause gewesen zu sein. Ich weiß noch sehr genau, dass sich am Anfang alles surreal – im Positiven – angefühlt hat. Obwohl ich den WG-Platz schon so gut wie safe hatte, kam in mir immer wieder die Angst auf, dass ich vonseiten der WG aus etwaigen Gründen doch nicht einziehen kann. Ich dachte, dass man nur sehr schwer in eine WG dieser Art kommt. Ich fühlte mich dafür viel zu „gesund“, ganz nach dem Motto „anderen geht es ja viel schlechter“. Ich kann mich kaum noch an die ersten Tage erinnern, zu schnell hatte ich mich eingelebt und wie zuhause gefühlt – ohne täglich Angst vor Gewalt haben zu müssen. Ich weiß, dass es an einem der ersten Tage ein Curry gab und ich es superlecker fand. Als ich einzog, stand eine Mitbewohnerin kurz vor ihrem Auszug. In den drei Tagen, in denen ich sie kennengelernt hatte, ist sie zu einer großartigen Freundin geworden. Wir haben bis heute Kontakt. Das ist das Schöne. Man knüpft neue Freundschaften mit Menschen, die sehr viel Empathie und Verständnis haben, zuhören können und auf die auch in Krisensituationen Verlass ist. Natürlich ist ein so harmonisches Miteinander nicht der Standard und hin und wieder kommt es zu Konflikten. Das gehört dazu. Eine WG-Gruppe ist ohnehin nicht konstant, weil Bewohner ein- und ausziehen.

Der Weg in eine Wohngemeinschaft für Menschen mit Essstörungen

Veränderungsmotivation – die wichtigste Voraussetzung für den Einzug in eine WG, die auf bestimmte Krankheitsbilder spezialisiert ist. Ohne den eigenen Willen zur Genesung bringt die beste Unterstützung nichts. Meine WG bietet Plätze für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 27 Jahre, wobei im Ausnahmefall davon abgewichen werden kann. Eine Bewohnerin war bei ihrem Einzug beispielsweise erst 13 Jahre. Aktuell ist meine WG eine reine Mädchen-WG, bezieht sich theoretisch aber auf beide Geschlechter gleichermaßen. Weitere Voraussetzungen sind das Bestehen einer der diagnostizierten Essstörungen Anorexia nervosa, Bulimia nervosa oder Binge-Eating-Disorder sowie ein BMI zwischen 17,5 und 40. Zudem muss das zuständige Jugendamt eine Kostenzusage erteilen. Je nach Spezialisierung der WG können sich die Voraussetzungen in ein paar Punkten unterscheiden. Ich kann jedem, der mit dem Gedanken spielt, in eine WG zu ziehen, empfehlen: Traut Euch, recherchiert, ruft an oder schreibt eine E-Mail, denn es lohnt sich und kann wortwörtlich Leben zum Besseren verändern. Wie in meinem Fall.

Selbstakzeptanz als großes Ziel: Der Fokus meiner WG-Zeit

Meine WG hat sich zum Ziel gesetzt, die Persönlichkeit und die Selbstakzeptanz der Bewohner:innen zu stärken, denn hier beginnt der Weg aus der Esstörung. Wir gehen ihn nicht für andere, sondern für uns selbst. Des Weiteren soll das Essverhalten normalisiert und ein gesundes Verhältnis zum Essen wiederhergestellt werden. Dafür wird an langfristig hilfreichen Lösungsstrategien gearbeitet, welche bereits vorhandenen oder aufkommenden Ängsten und Zwängen entgegenwirken. Während der physische und psychische Gesundheitszustand stabilisiert werden soll, gilt es vor allem, den Bewohner:innen einen Ort zu bieten, an dem sich ein Gefühl von Sicherheit entwickeln kann – sei es in Bezug auf das Elternhaus oder die Essstörung. In meiner WG ist Platz für 14 Bewohner:innen, die sich auf zwei WGs aufteilen. Ein besonderer Fokus liegt auf dem gemeinsamen Kochen in wechselnden Kochteams sowie der gemeinsamen Mahlzeiteneinnahme, die durch Sozialpädagogen begleitet wird. Letztere bieten bei Bedarf natürlich auch individuelle Einzel- und Gruppengespräche an. Es gibt eine 24/7 Betreuung, also auch immer einen Nachtdienst. Neben wöchentlichen Wiegekontrollen erhält jede Bewohnerin einen individuellen Ernährungsplan und hat eine Bezugsbetreuerin, mit der wir verschiedene Themen besprechen können. Zum Team gehören eine Ernährungstherapeutin und eine Psychologin, die eine individuelle Unterstützung anbieten. Das hausinterne therapeutische Angebot wird durch ambulante Therapien ergänzt.

Fast wie zuhause: Alltag und Freizeit in der WG

Neben gemeinsamen Tagesausflügen wie Bowlingspielen oder Schwimmengehen, machen wir jedes Jahr eine mehrtägige Ferienfahrt. Auch hier können wir Vorschläge einbringen, wo es hingehen soll. Dieses Jahr verbrachten wir die Zeit in der Nähe von Kiel und Lübeck an der Ostsee. Nach individueller Absprache sind regelmäßige Beurlaubungen und Besuche von Freunden sowie der Familie möglich. Oft gehen Bewohnerinnen gerne auch zusammen in die Stadt zum Shoppen, zu Veranstaltungen oder ins Kino. Fast wie zuhause eben. Manche gehen zur Schule, Studieren, machen eine Ausbildung oder ein Praktikum.

Persönliche Entwicklung: Die Wohngemeinschaft als starke Unterstützung

Ich wohne aktuell seit über zwei Jahren in der WG, habe viel gelacht, geweint, gelebt. Von den Vorstellungen und Zielen, die ich nach meinem Einzug hatte, habe ich schon einiges erreicht. Ich habe angefangen, Leistung einen geringeren Stellenwert zu geben, Hobbys nachzugehen, Zeit mit Freunden zu verbringen, feiern zu gehen, Konzerte zu besuchen und generell ein ganzes Stück weiter vom Überleben wegzukommen. Ich bin im Normalgewicht, hatte die Kraft einen Schwimm- und Skikurs zu absolvieren und arbeite aktuell in einem Eiscafé. Seit Monaten zähle ich keine Kalorien mehr und stelle mich „Fear Foods“. Die Angst vor dem Essen ist weniger und viel seltener geworden. Und doch bin auch ich noch nicht am Ziel. Schließlich ist der Weg der Recovery ein langer und vor allem schwerer Weg, den jeder für sich gehen muss. Eine WG kann uns „nur“ dabei unterstützen und begleiten, um es einfacher zu machen. Gehen müssen wir unseren Weg letztlich selbst.

DU HAST Redebedarf?

Unsere ehrenamtliche Peer-Beratung ist für dich da. Hier kannst du jederzeit in WhatsApp jemandem schreiben.

Du bist mit deinen Gedanken nicht allein. Im Heilungsprozess ist es wichtig zu wissen: So wie wir Betroffene uns das Gedankengut der Essstörungen angeeignet haben, so können wir das erfolgreich auch wieder ablegen. Denn Gedanken können auch sein: schmeichelnd, aufbauend, inspirierend, liebevoll, zärtlich, wohlwollend, bestärkend. Also sei gut zu dir! Auch und gerade in und mit deinen Gedanken, denn sie schaffen dir deine Realität.

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Stefanie

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10 leichte Reaktionen auf schwere Gedanken

Melanie

Gedanken sind oft: fies, zerstörerisch, klein-machend, manipulierend, verunsichernd, und oft nicht der Realität entsprechend. Doch sie haben immer nur so viel Macht über uns, wie wir ihnen einräumen. In der Essstörung verliert sich die Resilienz, um sich gegen diese schweren Gedanken zu stellen. Doch: die lässt sich wieder zurückholen! Hier möchte ich meine Top 10 Akut-Reaktionen im Umgang mit schweren Gedanken teilen.

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1. Ino: Die Stimme (m)einer (besten) Freundin.

Ino ist meine beste Freundin seit Schultagen. Lange während der Essstörung konnte ich diese gute Stimme, die mir niemals etwas Böses wollen würde, nicht zulassen. Ich wollte und konnte nicht zuhören. Heute frage ich mich immer öfters, was Ino mir sagen, was sie mir raten würde. Meistens weiß ich dann, was ich NICHT tun sollte und setze diesen Gedankengängen somit ein Ende. Langfristig möchte ich mir selbst eine Ino sein, doch bis dahin rufe ich mir ihre Stimme in bestimmten Situationen ins Gedächtnis.

2. Statements: „Ich werde Kuchen essen.“

Statements beschreiben eine öffentliche Erklärung oder eine Anweisung mit gewisser Verbindlichkeit. Natürlich muss das Bewusstsein vorhanden sein, keine essgestörten Gedanken in Statements festzuhalten, sondern nur gesunde und heilende. Das Statement: „Ich werde Kuchen essen“, kann an bestimmten Tagen unterstützen, nicht davon abzuweichen und alle hinderlichen Gedanken kurz und knapp „abzuschmettern“. Das ist natürlich für jede Art an Vorhaben anwendbar: „Ich werde gut zu mir sein“, „Ich höre auf meinen Körper“, und so weiter.

3. Was gilt für mich als Betroffene?

In einer diätgeprägten Gesellschaft und in einem Umfeld, in dem kaum bis gar keine Sensibilität für Essstörungen herrscht, müssen wir uns als Betroffene immer wieder darauf berufen, dass für uns in bestimmten Situationen andere (Recovery-) „Regeln“ gelten. Nur wir selbst wissen, was wir im Heilungsprozess bereits gelernt und umgesetzt haben. Deshalb können auch nur wir für uns Handeln. Sich daran zu erinnern, dass jetzt Zeit für einen Snack ist oder Sport eben noch nicht wieder dran ist. Wie persönlich abgestimmte Medikamente, müssen wir als Betroffene unsere eigenen „Medikamente“ (ausreichend und regelmäßige Mahlzeiten, Snacks, Sport oder Sportpause) im Blick haben und „einnehmen“. Ganz egal, was Andere tun oder nicht tun.

4. Faktencheck: Das kleine Gummibärchen.

Bevor eine Gedankenschleife einsetzt, kann ein kurzer Faktencheck abgehalten werden. Sind die Gedanken, die ich gerade habe wirklich der Realität entsprechend? Kann wirklich das einsetzen, was mir die Gedanken versuchen einzureden? Symbolisch hier das kleine Gummibärchen: Ist es wirklich so bedrohlich, wie meine Gedanken mir das versuchen zu erzählen? Ähnlich mit anderen Lebensmitteln, Portionsgrößen, etc. Oft sprechen harte, trockene Fakten gegen Gedankenmuster, die von der Essstörung gefestigt wurden. Trotzdem, mit Blick auf Punkt (3), immer auf den eigenen und individuellen Heilungsprozess achten.

5. STOP: Genug darüber nachgedacht!

Wenn die Gedanken immer wieder zurückkommen, einen nicht loslassen, dann ist es manchmal angebracht ihnen bewusst ein STOP vorzusetzen oder sie auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Ich mache mir dann bewusst, wie lange ich schon darüber nachgedacht habe, entscheide, dass das nun erstmal genug ist und „beende“ diese Gedanken. Manchmal sage ich mir, dass ich mir erlaube, morgen wieder darüber nachzudenken (meistens sieht die Welt dann aber wieder ganz anders aus). Im besten Fall begleite ich dies mit einem physischen Vorgang, z.B. gehe ich einmal aus dem Raum, mache das Fenster auf oder hole mir ein Getränk. Mit dem Ende der Handlung, ganz egal wie diese dann aussieht, sollen symbolisch auch die Gedanken abgeschlossen oder erstmal vertagt werden.

6. Raus aus dem Kopf: Laut Aussprechen oder Aufschreiben.

Alles was im Kopf herumschwirrt kann besser zur Ruhe kommen, wenn es ausgesprochen oder zu Papier gebracht ist. Dabei sind ein Journal, leere Seiten, oder auch die Audiofunktion am Handy hilfreiche Mittel. Das aufgeschriebene muss nicht nochmal unbedingt gelesen werden. Es geht nicht darum einen zusammenhängenden Text zu verfassen mit dem ein Literaturpreis gewonnen werden soll, sondern darum den Gedanken die Schwere zu nehmen. Sprachnachrichten machen an Vertrauenspersonen ist manchmal auch hilfreich, weil so keine direkte Antwort kommt und einfach drauf losgesprochen werden kann, was auch schon die Gedanken erleichtern kann.

7. Ablenkung: Musik in die Ohren, in Bewegung kommen, kreativ werden, Filme oder Serien

Ablenkung kann manchmal wirklich heilsam sein. Lange habe ich mir das nicht erlaubt, nicht einmal in Erwähnung gezogen, weil ich zu viel Angst davor hatte, was passiert, wenn die Gedanken danach „wiederkommen“. Heute weiß ich, auch wenn sie wiederkommen, es wird anders, oftmals wieder besser, sein. Gut wirkt für mich laute Musik, am besten direkt auf die Ohren, da ich so das Gefühl habe, dass die Musik lauter ist als die Gedanken. Wirksam sind auch Treffen mit Freund*innen. Da kann natürlich auch (kurz) über die Gedanken gesprochen werden, aber im Vordergrund soll eine gemeinsame Aktivität, die gemeinsame Zeit stehen.

8. Let’s talk: Visualisieren und Platzieren.

Hilfreich war für mich auch mir meine Gedanken zu visualisieren und im Raum zu „platzieren“. Das klappt am besten, wenn die Gedanken als Gefühl (z.B. Angst, Zweifel, Wut) sich ausdrücken lassen. Als kleine Gefühlswesen können sie dann irgendwo in der näheren Umgebung platzieren werden. Ich stelle mir dann vor, wie ich sie „im Blick“ habe und fühle mich gleich sicherer. Einmal habe ich das so mit angstvollen Gedanken gemacht, sie im Raum ans Fenster gesetzt und irgendwann, so meine Vorstellung, ist ihnen langweilig geworden und sie sind vergangen.

9. Identifizieren: Das Gedankengut der Essstörung will mir nichts Gutes.

In der Erkrankung hatte ich einen prägenden Moment. In mir tobten alle möglichen Gedanken, die gesunden und die der Essstörung. Es war schwer auszuhalten, aber in diesem Moment habe ich verinnerlichen können, dass die Essstörung mir nicht Gutes will, dass sie lügt und mich in meinem Verhalten in die Irre führt. Seitdem hole ich mir das immer wieder ins Bewusstsein: Die Essstörung lügt. Sie will mir nichts Gutes und sie wird auch niemals zufrieden sein. An Tagen mit besonders schweren Gedanken erinnere ich mich daran.

10. Hilfe annehmen: Gedanken dürfen nicht unterschätzt werden.

Mit lauten, schweren und auch kranken Gedanken ist nicht zu spaßen. Gedanken erschaffen unsere Realität. Wenn ich mir permanent einrede, dass ich zu dick bin, und noch ganz andere Dinge dazu, dann glaube ich mir das natürlich auch und verschließe mich vor der Realität, werde krank. Beratungsstelle sind gute Anlaufstellen, wenn gedankliche Abwertung von Körper und Persönlichkeit vermehrt auftreten.

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Celine

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Körperscham: Einfluss von Schönheitsidealen und Wege zur Selbstakzeptanz

Beitrag aus der Redaktion

@in_cogito.de

Viele Menschen schämen sich für ihren Körper, vor allem in einer Welt voller Schönheitsideale und perfekter Bilder auf Social-Media. Schnell hat man das Gefühl, der eigene Körper sei nicht gut genug. Soll man sich verändern? Anuschka Rees hat schon 2019 mit ihrem Buch „Beyond Beautiful“ ausgearbeitet, wo Körperscham uns beeinflusst und wertvolle Impulse gegeben, wie wir unser Körpergefühl verbessern können.

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Was ist Körperscham?

Körperscham bedeutet, dass man sich für seinen Körper schämt oder sich unwohl mit ihm fühlt. Man hat das Gefühl, der eigene Körper sei nicht gut genug oder passe nicht zu den Vorstellungen von Schönheit. Diese Scham kann sich auf einzelne Körperteile oder den gesamten Körper beziehen und führt oft dazu, dass man sich unzufrieden und unsicher fühlt.

5 Anzeichen, dass Körperscham ein Problem ist:

  1. Du fühlst dich oft unsicher wegen deines Aussehens.
  2. Du vermeidest bestimmte Aktivitäten, wie Schwimmen gehen oder Fotos machen.
  3. Du ziehst dich von anderen zurück, um nicht beurteilt zu werden.
  4. Du hast Angst, was andere über deinen Körper denken könnten.
  5. Du beginnst, ungesunde Dinge zu tun, wie strenge Diäten oder zu viel Sport, um dein Aussehen zu verändern.

„Beyond Beautiful“


„Beyond Beautiful“ von Anuschka Rees ist ein hilfreiches Buch für alle, die sich wohler in ihrer Haut fühlen wollen. Es zeigt, wie man sich von den ständigen Schönheitsidealen befreien kann, die uns durch Medien und Gesellschaft vorgegeben werden. Statt sich selbst ständig zu kritisieren, lernt man, seinen Körper und sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist.

Das Buch bietet praktische Tipps und Übungen, um mit negativen Gedanken umzugehen und mehr Selbstvertrauen zu gewinnen. Es hilft, sich weniger um Aussehen zu sorgen und mehr darauf zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist: ein gutes Gefühl im eigenen Körper.

Wir empfehlen dieses Buch, weil es eine inspirierende und ermutigende Lektüre ist, die zeigt, wie man sich von gesellschaftlichem Druck löst und die eigene Schönheit neu entdecken kann.

Du kannst es in jeder Buchhandlung bestellen.

Ursachen von Körperscham

Soziale Normen und Ideale: Die Medien spielen eine zentrale Rolle dabei, ein bestimmtes Schönheitsideal zu propagieren. Schlanke, durchtrainierte und makellose Körper werden oft als das Nonplusultra präsentiert. Menschen vergleichen sich ständig mit diesen Bildern und empfinden Scham, wenn ihr eigener Körper nicht diesen Vorstellungen entspricht.

In dem Buch „Beyond Beautiful“ schreibt Anuschka Rees:

„Wir lehnen sexistische Werbung und diskriminierende Casting-Entscheidungen ab, haben aber kein Problem mit Marken, die uns auffordern, an unserem Aussehen zu arbeiten – solange es vermeintlich dem Selbstbewusstsein dient.“

Vergleiche im Alltag: Der ständige Vergleich mit anderen, egal ob in der Schule, auf der Arbeit oder auf Social Media, sorgt oft dafür, dass man sich nicht gut genug fühlt. Jeder Körper ist einzigartig, aber der Druck, einem bestimmten Ideal zu entsprechen, macht viele unsicher und unzufrieden.

Individuelle Unsicherheiten: Viele Menschen fühlen sich wegen bestimmter Körperteile unsicher. Das kann an Erlebnissen in der Kindheit liegen oder an Kommentaren von anderen. Mit der Zeit werden diese Unsicherheiten oft stärker. Sie führen dazu, dass man sich für den eigenen Körper schämt. Solche Schamgefühle sitzen oft tief. Viele Betroffene suchen sich Unterstützung um mit diesen Gefühlen einen konstruktiven Umgang zu lernen.

Das Aussehen verändern als Lösung?

Rees zeigt auf, wie häufig vermeintliche Selbstakzeptanz mit der Aufforderung zur Veränderung verbunden ist:

„Du fühlst dich unsicher in einem Bikini? Dieses zwölfwöchige Fitnessprogramm wird dir helfen, dich selbst zu akzeptieren!“

Diese Botschaften beeinflussen, dass äußere Veränderungen innere Unsicherheiten lösen. Dabei stellt sie klar:

„Wir fühlen uns nicht unsicher wegen unserer Beine, unseres Gesichts oder unserer Brüste. Wir sind unglücklich wegen der Millionen von Botschaften, die uns eingeredet haben, dass diese überhaupt irgendeinen Effekt auf unser Glück haben könnten.“

Selbstakzeptanz statt Perfektion

Der erste Schritt ist, zu akzeptieren, dass niemand perfekt ist. Jeder hat etwas Einzigartiges, das ihn oder sie schön macht. Was du vielleicht als Makel siehst, kann für jemand anderen besonders attraktiv sein. Deshalb ist es wichtig, deinen Körper mit Freundlichkeit und Liebe zu betrachten.

Statt noch mehr Zeit und Geld in das eigene Aussehen zu investieren, fordert Anuschka Rees, den Fokus zu verändern:

„Anstatt Frauen dazu zu bringen, noch mehr Energie in ihr Aussehen zu stecken, müssen wir ihnen helfen, sich auch in einem Bikini, ungeschminkt oder nach der Schwangerschaft wertgeschätzt zu fühlen.“

Gesundheit als Priorität

Wenn du dich verändern möchtest, um gesünder zu werden, wie zum Beispiel durch mehr Bewegung oder eine bessere Ernährung, kann das sinnvoll sein. Zum Beispiel könnte jemand mit Bluthochdruck seine Lebensgewohnheiten ändern, um seine Werte zu senken und gesünder zu leben. Aber wenn der Wunsch nach Veränderung nur von Schönheitsidealen kommt, solltest du überlegen, warum du das wirklich möchtest. Was liegt hinter dem Wunsch?

Ansätze mit Körperscham umzugehen

Um mit Körperscham umzugehen, können einige Ansätze hilfreich sein:

  1. Negative Gedanken hinterfragen: Wenn du negative Gedanken über deinen Körper hast, frage dich, woher sie kommen. Oft stammen sie von unrealistischen Schönheitsidealen.
  2. Vergleiche vermeiden: Versuche, dich weniger mit anderen zu vergleichen. Jeder Mensch hat unterschiedliche körperliche Voraussetzungen, und Vergleiche führen oft zu unnötigem Druck und Unzufriedenheit.
  3. Positives Umfeld schaffen: Umgib dich mit Menschen, die dich so akzeptieren, wie du bist, und die eine gesunde Einstellung zu Körpern und Schönheit haben. Ein unterstützendes Umfeld kann dein Selbstbild positiv beeinflussen.
  4. Unterstützung suchen: Sprich mit Freunden oder einem Therapeuten über deine Unsicherheiten. Du kannst auch unsere Chat-Beratung nutzen. Oft hilft es, die eigenen Gefühle zu teilen und Unterstützung zu bekommen.
  5. Selbstwert-Coach nutzen: Zum Beispiel unser Selbstwert-Coach kann dir helfen, deine Unsicherheiten besser zu verstehen und deinen Selbstwert gezielt zu stärken.

DU HAST Redebedarf?

Unsere ehrenamtliche Peer-Beratung ist für dich da. Hier kannst du jederzeit in WhatsApp jemandem schreiben.

Körperscham ist weit verbreitet und wird oft durch äußere Einflüsse verstärkt. Ob du dich verändern möchtest, ist eine persönliche Entscheidung. Es ist wichtig, dass Veränderungen aus dem Wunsch nach Selbstfürsorge kommen und nicht, weil du einem bestimmten Ideal entsprechen musst. Jeder Körper ist gut, wie er ist.

Selbstakzeptanz und ein freundlicher Umgang mit deinem Körper sind entscheidend!

Text: Taisiia Nedzheria

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Schön, dass du da bist. Dieser Text könnte dich sehr berühren. Wenn du eine Essstörung, eine Depression oder Suizidgedanken hast, könnte dieser Text dir gerade nicht guttun. Bitte überlege dir, ob du ihn wirklich lesen möchtest. Hast du Redebedarf? Dann hilft dir vielleicht unser Angebot hier weiter.

Alles Liebe, Deine Incogito-Redaktion.

Über die Angst, keinen Hunger mehr zu haben

Recovery: Über die Angst, keinen Hunger mehr zu haben

Als InCogito-Autorin Olivia ihre Richtwerte für ihre täglich Kalorien-Zufuhr in ihrer Ernährungstherapie vorgeschrieben bekam, gab ihr das Sicherheit und gleichzeitig wurden in ihr auch altbekannte Ängste geweckt. Was, wenn sie keinen Hunger mehr haben würde?

 

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Vielleicht kennt ihr es. Ihr seid im Zunahmeprozess und wollt gesund werden. Ihr habt für euch geklärt, wofür es sich lohnt wieder zuzunehmen, Ängste zu überwinden, wieder teilzunehmen am Leben. Ihr habt einen Plan bekommen oder euch selbst einen erstellt, wie ihr eure Ziele erreichen könnt. Und dazu gehört essen.

In meinem ernährungstherapeutischen Prozess raus aus der Magersucht wurden 2.500 bis 3.500 Kilo-Kalorien pro Tag zum Richtwert erklärt. Für mich hat sich das im ersten Moment erstmal nach sehr viel angehört, ist es doch mehr als die 2.000 Kilo-Kalorien pro Tag, die auf nahezu jeder Lebensmittelverpackung als täglichen Richtwert für einen durchschnittlichen Erwachsenen angegeben werden.

Anfangs dachte ich, dass diese Gesamtmenge für mich ja zum Zunehmen reichen müsste. Und da meldete sich auch gleich die Angst. Was, wenn ich einmal mehr essen wollen würde als meine Therapeutin mir „verschrieben“ hatte? Ich hatte Angst, den Richtwert für meine Magersucht-Recovery zu überschreiten, weil ich dachte, dann am nächsten Tag nur weniger essen zu dürfen. Ich hatte Angst davor, später keinen Hunger mehr zu haben, wenn ich einmal mehr gegessen habe, Angst am davor, am nächsten Tag keinen Hunger mehr zu haben. Denn „keinen Hunger zu haben“ bedeutete, dass ich nichts zu essen brauchte, dass ich nichts mehr essen darf. Und nichts zu essen zu brauchen, war schlimm für mich. Sehr schlimm.

Was hat mein Leben noch für einen Sinn, wenn ich keinen Hunger mehr habe?

Als ich mich am tiefsten Punkt meiner Krankheit befand, war die Antwort auf diese Frage: keinen. „Bedeutete das im Rückschluss, das der Sinn meines Lebens Essen geworden war?“, fragte ich mich. Allein schon, dass ich mir diese Frage stellte, machte mich direkt traurig und verdeutlichte mir zugleich, wie sehr mein Körper im Moment nichts anderes als Nahrung benötigte. Das führte zu zwei Dingen, die für meinen Genesungsprozess von enormer Bedeutung waren:

  1. Dass ich mich fragte: Welchen Sinn hat mein Leben außer bei Hunger zu essen?

Gemeinsame Zeit verbringen, für andere da sein, Schreiben, Tanzen, Lachen, mich glücklich machen, schöne Erlebnisse zu Erinnerungen werden lassen, von denen ich mein Leben lang profitiere, …

  1. Ich erkannte, dass ich meinen Körper mit Essen glücklich machen kann. Mit dieser Erkenntnis begann das eigentlich Schwierige für mich: Zu lernen, dass ich meinen Körper überhaupt glücklich machen darf. Mein Körper darf glücklich sein, weil …

… ich damit niemandem wehtue,

… es mir dann besser geht,

… ich nur dann mein Leben leben kann,

… die Welt mich braucht.

Das Finden der Antworten auf diese beiden Fragen hat mir gezeigt, wie unwichtig Richtwerte im Vergleich zu anderen Dingen im Leben für mich sind. Ich will den Sinn von Richtwerten während des Recovery-Prozesses damit nicht bestreiten. Doch es sind und bleiben Richtwerte. Nicht mehr und nicht weniger aber eben auch mal mehr und mal weniger. Mir wurde klar, dass ich eines auf gar keinen Fall möchte: Dass sich mein Leben nach irgendwelchen Richtwerten richtet.

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Ich wollte kein Leben, das sich am Minimum orientiert. Ich wollte mein ganzes Leben auskosten. Auch mal mehr zu essen, war also gar nicht schlimm, sondern gab mir meine Freiheit zurück. In meiner Phase der Zunahme diente das Kalorienzählen anfangs dem Sicherstellen einer ausreichenden Nahrungszufuhr und wurde so zu einer Krücke auf dem Weg zum „mehr essen“. Das „mehr essen“ diente einfach dem Zweck, zurück zu meiner Intuition zu kommen, schneller zu heilen, für mich und meinen Körper da zu sein. Es erforderte viel, viel Mut, welcher schließlich mit Wohlbefinden und positiver Energie belohnt wurde.

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Annika

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Die o.g. Daten werden nur zur internen Fallbearbeitung bzw. für die Beantwortung eurer Nachrichten genutzt, wir geben sie nicht weiter und verwenden sie nicht anderweitig. Für andere Chat-Nutzer sind die o.g. Daten nicht sichtbar oder zugänglich, da wir keine Gruppennachrichten verschicken. Wenn du dich von dem Dienst abmeldest (s.u.) werden deine o.g. Daten aus der Datenbank gelöscht.

Mehr Informationen und die Datenschutzerklärung von Userlike findest du hier.

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Body Positivity oder Body Acceptance?

Body Positivity und Body Acceptance: Wie du dich mit Körperunzufriedenheit auseinandersetzen kannst

Beitrag aus der Redaktion

@in_cogito.de

Unser Körper hat einen riesigen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen. Die Art und Weise, wie wir uns selbst sehen, kann unser Selbstwertgefühl und damit auch unsere mentale Gesundheit stark beeinflussen. Mit der Flut an Inhalten auf Social Media wird es immer wichtiger, sich kritisch mit Körperbildern auseinanderzusetzen, denn wir sind ständig mit Schönheitsidealen konfrontiert, die oft unrealistisch und überhöht sind. Wenn wir mehr über strukturelle Fettfeindlichkeit und die Wirkung der Diet-Culture wissen, können wir lernen, unseren Körper so zu akzeptieren, wie er ist, und eine gesündere, realistischere Beziehung zu ihm aufbauen. Und wie die beiden Bewegungen Body Positivity und Body Acceptance uns dabei helfen können, liest du in diesem Blogpost.

 

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Erstmal vorneweg: Beide Bewegungen bieten Ansätze dafür an, wie wir nicht nur unseren eigenen Körper, sondern auch die anderer Menschen betrachten können und auch wertschätzen sollten. Die Wurzeln beider Bewegungen liegen in der Fat-Acceptance-Bewegung der 1960er in den USA. Daraus entstand die Body Positivity-Bewegung, um eine breitere Palette von Körpermerkmalen einzuschließen und sich gegen Diskriminierung aufgrund von Körpergewicht und -form einzusetzen.

Body Positivity-Bewegung: Jeder Körper ist schön

Die Body Positivity-Bewegung möchte uns ermutigen, alle Körpertypen zu akzeptieren und zu feiern, egal welche Größe, Form, Hautfarbe, welches Geschlecht oder welche Behinderung man hat. Diese Bewegung schließt alle Körperformen und -größen ein und stellt die gängigen Schönheitsideale infrage. Die Botschaft ist klar: Jeder Körper ist schön, unabhängig von Gewicht, Alter oder körperlichen Besonderheiten.

Aber was, wenn man nicht jeden Teil seines Körpers liebt?

Kritik an der Body Positivity-Bewegung

Trotz ihrer guten Absichten bleibt ein Problem: Die Schönheitsideale existieren weiterhin, sie werden nur anders interpretiert. Die Bewegung betont zwar, dass man sein Aussehen positiv sehen soll, legt aber weiterhin viel Wert darauf, wie man aussieht. Dadurch entsteht ein neuer Druck, sich schön finden zu müssen, obwohl es doch eigentlich um viel mehr geht als nur ums Aussehen.

Jenseits vom Druck sich schön finden zu müssen

Anuschka Rees, Autorin des Buches „Beyond Beautiful“, betont: „Es ist zum einen keine gute Langzeitstrategie. Wenn ich Selbstwert daraus ziehe, dass ich mich schön finde, so wie ich heute bin – was bedeutet das, wenn ich in einem Monat zwei Kilo zugenommen habe? Und in zehn Jahren sehe ich womöglich komplett anders aus als jetzt.“  Und genau das ist die Grundlage für viele Menschen, sich eher der Body Acceptance-Bewegung zu verschreiben.

Body Acceptance-Bewegung: Respekt für jeden Körper

Die Body Acceptance-Bewegung konzentriert sich darauf, den eigenen Körper so zu akzeptieren, wie er ist – ohne den Druck, ihn verändern zu müssen. Hierbei wird der Selbstwert vom äußeren Erscheinungsbild getrennt. Diese Haltung bedeutet auch, dass sich Körper im Laufe der Zeit verändern und wir nicht immer alles daran schön finden müssen. Trotzdem sollten wir unseren Körper für das wertschätzen, was er leistet: zum Beispiel ein Kind zur Welt bringen, Verletzungen heilen oder einfach älter werden.

Der Fokus liegt hier nicht auf dem Äußeren, sondern darauf, dass unser Selbstwert nichts mit unserem Aussehen zu tun hat. Das ist eine realistischere Sichtweise, die den Druck nimmt und den Körper für seine Funktionen und Leistungen respektiert.

Es geht aber nicht nur darum, diese Einstellung für sich selbst zu entwickeln, sondern auch andere Menschen so zu behandeln. Jeder Mensch verdient Respekt, unabhängig davon, in welchem Körper er lebt. Die Body Acceptance-Bewegung setzt sich auch dafür ein, Gewichtsdiskriminierung abzulehnen und sich kritisch mit verinnerlichter Fettfeindlichkeit auseinanderzusetzen.

Was bedeutet das für dich persönlich?

Beide Bewegungen – Body Positivity und Body Acceptance – wollen die gesellschaftlichen Schönheitsideale hinterfragen und dich dazu ermutigen, deinen Körper unabhängig von festgelegten Normen zu sehen. Es geht darum, den Wert eines Menschen nicht vom Aussehen abhängig zu machen. Die Body Positivity-Bewegung sagt: Jeder Körper ist schön. Die Body Acceptance-Bewegung hingegen erlaubt auch, mal negative Gefühle gegenüber dem eigenen Aussehen zu haben und schätzt den Körper eher dafür, was er uns ermöglicht, statt nur danach, wie er aussieht.

DU HAST Redebedarf?

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Wie kannst du eine bessere Beziehung zu deinem Körper aufbauen?

Hier sind ein paar Tipps:

  • Überlege dir, was dich wirklich ausmacht – jenseits deines Aussehens oder sogar ganz unabhängig davon.
  • Achte darauf, was dein Körper braucht – wie zum Beispiel einen gesunden Lebensstil.
  • Behalte im Blick, wie du über deinen eigenen Körper und den anderer sprichst – positive Sprache kann deine Wahrnehmung verbessern.
  • Hinterfrage, wie du Medien und Social Media nutzt – finde heraus, ob dich bestimmte Inhalte belasten oder negativ beeinflussen, und ändere das.
  • Hab‘ Geduld mit dir selbst, wenn du wertende Gedanken nicht sofort loslassen kannst – es ist normal, dass es Zeit braucht, um alte Denkmuster zu ändern. Lass dir Zeit und setz dich nicht unter Druck.

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Text: Maria Leidert

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Amelie

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Wenn ADHS auf Essstörungen trifft: Verborgene Verbindungen und Herausforderungen

Beitrag aus der Redaktion

@in_cogito.de

 

Essstörungen und ADHS scheinen auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun zu haben. Es gibt jedoch bedeutende Zusammenhänge, die großen Einfluss auf das Essverhalten haben können. Hier erfährst du mehr über Herausforderungen und Strategien für den Umgang mit beiden Erkrankungen sowie erste Schritte bis zur Diagnose.

Die Zusammenhänge zwischen ADHS und Essstörungen verstehen

Essstörungen und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) scheinen auf den ersten Blick erst einmal nicht viel miteinander zu tun zu haben. Allerdings gibt es signifikante Zusammenhänge zwischen ihnen, insbesondere in der Neurobiologie und bei Persönlichkeitseigenschaften wie Impulsivität und Emotionsregulierung.

Lukas Maher, systemischer Therapeut und Experte für ADHS, betont im schriftlichen Interview mit uns, dass ADHS und Essstörungen unterschiedliche Erkrankungen sind, sich jedoch in bestimmten Merkmalen überschneiden, die eine Essstörung begünstigen können. Symptome wie Impulsivität und Schwierigkeiten bei der Gefühlsregulierung können dazu führen, dass Personen, die ihre Emotionen nicht gut regulieren können, zu Essanfällen neigen. Insbesondere Frauen und Mütter mit ADHS können in einem Teufelskreis aus hohen Anforderungen und zwanghaftem Verhalten gefangen sein, was ihr Essverhalten beeinflussen kann.

Wichtig zu sagen ist, dass umgekehrt die Aspekte einer Essstörung nicht zu ADHS führen.

 

ADHS und Essstörung: Herausforderungen im Umgang mit der doppelten Diagnose

Betroffene, die sowohl unter ADHS als auch einer Essstörung leiden, sehen sich mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Klassische Behandlungsmethoden für Essstörungen wirken möglicherweise nicht so effektiv, wenn zusätzlich ADHS vorliegt. Eine der größten Schwierigkeiten ist die Aufrechterhaltung einer festen Mahlzeitenstruktur. So kann es Betroffenen schwerfallen, regelmäßige Essenszeiten einzuhalten oder richtig zu erkennen, wann man tatsächlich hungrig ist. Die Impulsivität und Ablenkbarkeit, die oft mit ADHS einhergehen, machen es schwierig, gesunde Essgewohnheiten zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Laut Maher kann dies unter Medikation noch problematischer werden, da viele während des Wirkzeitraums des Medikaments kein Hungergefühl verspüren. Dies kann besonders bei restriktiven Essstörungen gefährlich sein. Da eine medikamentöse Therapie bei ADHS allerdings sehr wirkungsvoll sein kann, ist eine umfassende Diagnostik umso wichtiger, um Essstörungen und ADHS klar voneinander abzugrenzen.

 

Schritt für Schritt zur Klarheit

Eine umfassende diagnostische Phase ist entscheidend, um zu erkennen, welche Symptome eher zu einer Essstörung und welche eher zu ADHS gehören. Eine große Herausforderung besteht darin, dass Betroffene aus Scham, bestimmte Symptome verschweigen oder aus einer anderen Motivation heraus, Symptome erfinden, die so nichtzutreffend sind. Als drastischsten Punkt sieht Maher allerdings, das Maskieren von ADHS-Symptomen. Dies kommt bei Erwachsenen im Allgemeinen und bei erwachsenen Frauen im Speziellen besonders häufig vor. Den Betroffenen ist demnach oft selbst nicht bewusst, dass übermäßiges Essen oder eine unregelmäßige Mahlzeitstruktur möglicherweise mit starker innerer Unruhe und der Unfähigkeit abzuschalten zu tun haben könnte. Sich über das Thema Maskierung zu informieren, kann also bereits helfen.

Die ersten Schritte von der Vermutung zur Diagnose liegen in erster Linie in der Recherche nach geeigneten Anlaufstellen. Für Klarheit und eine endgültige Diagnose braucht es aber leider viel Geduld, da Spezialsprechstunden von Ambulanzen aus Unikliniken oder ADHS-Zentren lange Wartezeiten haben. Diese kann man gut dazu nutzen, sich umfassend zu dem Thema zu informieren oder einen Selbsttest durchzuführen. Darüber hinaus gibt es viele Fachverbände und Selbsthilfegruppen, die Betroffenen eine Plattform für Austausch und Unterstützung bieten. Online-Gruppen, Webseiten und Foren dienen außerdem oft als erste und niedrigschwellige Anlaufstellen.

 

Du brauchst Unterstützung oder jemandem zum Reden?

Unsere Angebote kannst du jederzeit nutzen. Melde dich für unsere Gesprächsgruppen an oder schreibe unseren Peer-Berater:innen über WhatsApp.

InCogito – Gesprächsgruppen

InCogito – Peerberatung

 

Die Bedeutung einer Diagnose: Was sich für Betroffene verändert

Eine Diagnose kann das Leben von Betroffenen erheblich verändern. Besonders für Erwachsene und Frauen im speziellen kann sie zu einer neuen Sicht auf die eigene Lebensgeschichte führen. Lukas Maher berichtet, dass er den Satz „Es lag nicht an mir.“ häufig zu hören bekommt. Diesen beschreibt er als selbstfreundliche Erklärung und erklärt, dass Betroffene meist schon Erfahrung mit verschiedenen Therapieformen gemacht haben. Dort hatten sie meist bereits darüber gesprochen, dass sie das Gefühl hatten, es stimme irgendetwas nicht. In dem Zusammenhang weist Maher darauf hin, dass viele eine wenig bis gar nicht von Erfolg gekrönte Erfahrung mit Antidepressiva gemacht haben. Mit einer ADHS-Diagnose und speziell darauf abgestimmten Medikamenten können neue Wege der Behandlung – für Betroffene einer Essstörung – möglich sein.

 

Empfehlung – Selbsttest

! Selbsttests können eine erste Orientierung bieten, ersetzen jedoch keine professionelle Diagnose !

Eine empfehlenswerte Quelle ist der Selbsttest von adxs.org, da dieser im Vergleich zu vielen anderen sehr gut aufgebaut ist. Außerdem bietet die Website ein breites Angebot an Informationen und Selbsttests zu ADHS und weiteren Themen.

 

Du willst dich testen?

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Jil

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