In der Klemme:
wie ich versuche zwischen Leistungsdruck und Bestätigungsbedürfnis meinen Weg zu finden
Ich habe bei allem, was ich getan habe immer einen hohen Leistungsdruck gespürt. Und auch wenn ich gerne Gegenteiliges behauptet habe, war es mir zumindest unterbewusst doch immer sehr wichtig, was andere über mich denken. Dadurch kam ich in die Situation, nie das Gefühl zu haben, dass das, was ich tue richtig oder wertgeschätzt würde. Wie ich heute damit umgehe, erfahrt ihr hier.
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Der Stress-Klassiker: Erstellen der Abizeitung
Ich war in der Oberstufe unseres recht kleinen Gymnasiums schon länger an verschiedenen Hebeln aktiv. Und so wurde ich zum Verantwortlichen für die Erstellung der Abizeitung gewählt. Auch, wenn ich diese Aufgabe freiwillig und sehr gerne übernommen habe, fühlte ich den Druck der ganzen Stufe auf mir lasten. Schließlich sollte dieses Erinnerungsstück so ästhetisch, modern und angemessen kitschig wie möglich sein, dass sie die etwas mehr als 10 Euro pro Exemplar wert wäre und alle zufrieden wären.
Unabhängig davon, ob es tatsächlich so war oder nur ich das Gefühl hatte: der Erwartungsdruck kam mir immens vor, ich fühlte mich verantwortlich für jedweden möglich Fehler und ich hatte große Angst am Ende bloßgestellt zu werden und alle zu enttäuschen.
Nachdem die Abizeitung geschafft war, blieb mir der innere Druck jedoch erhalten. Denn ich war wieder enttäuscht von mir selbst: zum einen war das Feedback zwar durchweg positiv, aber beschränkte es sich auf wenige Menschen aus meinem nahen Umfeld. Leider kam auch ihr Lob nicht wirklich bei mir an, denn ich wollte keinesfalls selbstgerecht wirken. Ich konnte mich also selbst in dem Moment, als ich das positive Feedback bekam, auf das ich so lange hingearbeitet habe, nicht zurücklehnen und freuen, sondern hakte es viel mehr einfach wie eine To Do-Liste ab. Es fühlte sich an, als hätte ich nur das Mindeste geschafft, was ich erreichen musste.
Später merkte auch noch ein Lehrer an, er fände, dass ihm und seinen Kolleg:innen zu wenig Platz zugekommen sei und mit Scham musste ich feststellen, dass die Kritik gerechtfertigt war und wir noch nicht einmal Liste mit Lehrern unserer Fächer in Oberstufe hatten. Diese eine negative unter vielen positiven Kritiken blieb noch lange an mir hängen und kommt jedes Mal wieder auf, wenn ich die Abizeitung in die Hand nehme. Obwohl ich mit dem Endresultat rational mehr als zufrieden war, konnte ich emotional nie wirklich meinen Frieden damit finden.
Der Leistungsdruck kam in Wellen
Es fühlte sich für mich eine ganze Zeit lang in meinem Leben so an, als würde ich mich in einer Klemmzwänge befinden mit Leistungsdruck auf der einen und dem Bedürfnis nach Bestätigung dafür auf der anderen Seite. Die Abizeitung ist dafür nur ein Beispiel, die emotionale Last war mehr eine immer wieder hochkommende Welle, als die Ausnahme.
Wer ist schuld an meiner Gefühlswelt?
Tatsächlich muss ich da wohl den Finger zu allererst auf mich selbst richten. Wenn auch nicht nur. Da ich es rational ja verstanden habe, wie unnötig meine Zweifel eigentlich sind, liegt es eigentlich vor allem an mir, dass nun auch so in mein Handeln zu übersetzen, dass es mir auf lange Sicht besser geht. Aber auch die spätkapitalistische Gesellschaft und was sie mit sich bringt, ist nicht ganz unschuldig. Sowohl in der Schule, als auch außerhalb davon wird uns jungen Menschen beigebracht, ständig in Konkurrenz zu denken. Das spiegelt sich dann darin wider, dass ich als ein sehr strebsamer Mensch mich auch mit 90 oder sogar 100 Prozent Leistung nicht zufriedengeben will, sondern mir selbst immer mindestens 110 Prozent abverlange. Was klingt wie der Leitspruch des „How to become Alpha“-Trainings eines Erfolgsgurus, ist für mich zum Dauerdruck im Alltag und Verhinderer von Zufriedenheit geworden.
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Wie kommt man aus dieser Misere heraus?
Der erste Schritt lautet natürlich immer, sich der Situation und den eigenen Gefühlen bewusst werden. Danach wird es konkret und damit ungemein schwieriger.
Die Bestätigungssuche abzuschalten ist wohl unmöglich und evolutionär auch nicht clever. Sorgt die Bestätigung von außen und Schamgefühle nach innen ja auch dafür, dass wir als soziale Wesen den Anschluss an unsere Gruppe erhalten können.
Vielleicht ist es machbar, auch schon die Erhaltung und den Ausbau von sozialen Beziehungen als Bestätigung des aktuellen Handelns zu sehen. Und vermeintlich kleine Dinge, wie das positive Empfinden beim Beisammensein mit anderen, schon als Bestätigung wahrzunehmen.
Der Leistungsdruck lässt sich vielleicht dadurch verringern, indem man versucht, andere Menschen und deren Leistungen und vermeintlichen Erwartungen erstmal auszublenden. Sich auf sich und das, was für einen selbst am besten ist, zu fokussieren. Wenn man das schafft, ist sicher schon viel gewonnen, da man dann nicht darauf wartet, dass alle an dem, was man tut etwas auszusetzen haben.
Der Wunsch nach Anerkennung hat seine Berechtigung
Ich muss zugeben, dass ich in diesem Idealzustand bei Weitem noch nicht angekommen bin. Gleichzeitig finde ich, dass das wahrscheinlich auch okay so ist. Denn der Mechanismus, dass man sich besser fühlt, wenn man von anderen Bestätigung bekommt, ist evolutionär bedingt und schafft uns Zugehörigkeit ohne die wir nicht überleben könnten. Es sollte eben nur nicht darin ausarten, dass das Bedürfnis nach Bestätigung von außen so immens wird, dass man eigene Vorstellungen davon, was gut war und was nicht, überhaupt nicht mehr wahrnehmen und werten kann.
Abstand als Heilmittel
Für mich ganz persönlich hat sich herausgestellt, dass ich dem Druck durch mein Freiwilligenjahr im Ausland ein Stück weit entweichen konnte. Er ist immer noch da und sucht sich teilweise noch seine Bahnen in meinen Kopf, aber der Wechsel in eine unbekannte Umgebung – sozial, wie geographisch und kulturell – hat mir geholfen, mich mit dem erworbenen Wissen aus der Selbstreflektion ein Stück weit neu zu erfinden.
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