Eine Essstörung erkennen

Beitrag aus der Redaktion

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Essstörungen sind nicht einfach nur Schwierigkeiten mit dem Essen, sondern komplexe psychische Erkrankungen, die oft schwere gesundheitliche Folgen haben können. Es gibt verschiedene Formen von Essstörungen: Anorexia Nervosa (Magersucht), Bulimia Nervosa (Ess-Brech-Sucht), Binge Eating (Esssucht) und Orthorexia nervosa (krankhafte Fixierung auf gesundes Essen). Gemeinsam haben diese Erkrankungen vor allem die ständige Beschäftigung mit den Themen Essen, Figur und Gewicht.

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Anorexia Nervosa, auch Magersucht genannt, ist eine Essstörung, die durch das krankhafte Bedürfnis gekennzeichnet ist, Gewicht zu vermindern. Häufig sogar bis hin zur lebensbedrohlichen Unterernährung oder anderen schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen. Magersucht hat die höchste Sterblichkeitsrate von allen psychischen Erkrankungen. Dieses Störungsbild betrifft vor allem junge Mädchen und Frauen, immer häufiger leiden aber auch Jungen und Männer darunter. Mehr zu Magersucht.

Bei Bulimia nervosa oder auch Ess-Brech-Sucht haben die Betroffenen ein unkontrolliertes Verlangen nach Essen. Nach einem Essanfall spüren sie enormen Druck, das Gegessene wieder loszuwerden und Übergeben sich deshalb absichtlich, machen exzessiv Sport oder missbrauchen gewichtsreduzierende Medikamente. Überwiegend wird auch diese Erkrankung bei Frauen diagnostiziert. Mehr zu Bulimie.

Betroffene der Binge-Eating-Störung erleben regelmäßig – ähnlich der Bulimiker – einen unkontrollierbaren Drang große Mengen Nahrungsmittel zu sich zu nehmen. Nach einer Fressattacke unternehmen die Betroffenen aber keine gewichtsreduzierenden Maßnahmen. Aufgrund der Essattacken neigen die Betroffenen häufig zu Übergewicht. Diese Form der Essstörung ist die am weitesten verbreitete. Mehr zu Binge-Eating.

Orthorexia nervosa meint die krankhafte Fixierung auf gesundes Essen. Bisher gilt sie noch nicht als eigene Form der Essstörung. Betroffene entscheiden dann nicht mehr frei, was sie essen möchten, sondern halten sich pedantisch an einen vermeintlich gesunden Plan. Bei vielen Betroffenen werden im Lauf der Erkrankung immer mehr Lebensmittel auf ihre „Blacklist“ gesetzt. Orthorexie hat nichts damit zu tun, sich bewusst gesund zu ernähren, sondern folgt ähnlich der Magersucht, einem krankhaften Kontrollwahn.

Alle Essstörung haben gemeinsam, dass der Leidensdruck der Betroffenen sehr hoch ist. Ihr ganzes Leben dreht sich meist nur noch darum, was sie essen können und was nicht, wie sie Gegessenes ungeschehen machen können und wie sie ihr gestörtes Essverhalten und ihren vermeintlich hässlichen Körper verheimlichen können. Oft kommen Essstörungen auch in Mischformen vor. So kann es sein, dass eine betroffene Person zwar alle Kriterien für eine Magersucht erfüllt, nur kein extremes Untergewicht hat. Trotzdem handelt es sich dann um eine Essstörung und muss genauso behandelt werden. Alle Essstörungen gehen mit einem extrem hohen Schamgefühl einher, das die ganze Person vereinnahmt. Viele Betroffene ziehen sich deshalb komplett zurück und meiden soziale Kontakte mit Familie und Freunden. Essstörungen sind ernsthafte, schwerwiegende Erkrankungen, die nicht von alleine weggehen oder nur eine Phase sind. Essstörungen haben tiefe seelische Wurzeln. Jeder Mensch mit einem gestörten Essverhalten sollte sich schnellstmöglich Unterstützung suchen.

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Ursachen von Essstörungen

Die Ursachen für Essstörungen können sehr vielfältig sein. Zumeist gibt es nicht nur eine Ursache, sondern verschiedene Faktoren, die zur Entstehung beitragen. So erkranken häufiger Menschen an einer Essstörung, in deren Familie es Suchterkrankungen gibt oder gegeben hat. Außerdem spielen auch individuelle Faktoren eine wichtige Rolle, wie beispielsweise der Selbstwert, Selbstwirksamkeitserfahrungen und Persönlichkeitseigenschaften. Nicht zuletzt haben auch besonders gesellschaftliche Einflüsse wie Schönheitsideale und das soziale Umfeld einen großen Einfluss bei der Entstehung von Essstörungen.

Habe ich eine Essstörung?

Um einen ersten Schnellcheck zu machen, können diese Fragen hilfreich sein:
  • Machst du dir ständig Sorgen um dein Gewicht und Nahrungsmittel?
  • Möchtest du oft nicht essen, hast unkontrollierte Essanfälle oder isst am liebsten heimlich?
  • Hast du Panik vorm Zunehmen, lehnst deinen Körper ab und fühlst dich insgesamt unzulänglich?
Hier kannst du außerdem einen kurzen Test machen und überprüfen, ob eine Essstörung bei dir wahrscheinlich ist.

Behandlung von Essstörungen

Je nach Schwere und Form der Essstörung sind verschiedene Formen der Psychotherapie zur Behandlung einer Essstörung sinnvoll. Gerade wenn das Körpergewicht in einem extremen Bereich liegt, eine schwere Depression oder andere Begleiterscheinungen vorhanden sind, werden Betroffene meist zunächst in einer Klinik für Essstörungen stationär behandelt, um die Therapie später teilstationär oder ambulant fortzusetzen. Viele Betroffene bekommen in einer Klinik zusätzlich eine Ernährungsberatung und Bewegungs- und Kunsttherapien angeboten. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser stehen die Heilungschancen. Aber auch lange Krankheitsverläufe lassen sich heute erfolgreich behandeln.

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Dilnoza

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Bulimie: Was ist das?

Beitrag aus der Redaktion

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Bulimia nervosa, umgangssprachlich auch Bulimie oder Ess-Brech-Sucht genannt, ist eine Essstörung, bei der die Betroffenen ein unkontrolliertes Verlangen nach Essen haben und dieses in kürzester Zeit mit großen Mengen Nahrungsmittel befriedigen. Anschließend haben die Betroffenen den Drang das zugeführte Essen wieder loswerden zu müssen und greifen dafür zu unterschiedlichen, sehr schädlichen Maßnahmen. Wie alle Essstörungen ist auch Bulimie eine komplexe psychische Erkrankung.

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Ess-Brech-Sucht: Definition

Bulimiker haben seit mindestens drei Monaten und im Schnitt zweimal Mal pro Woche Essattacken. Anschließend übergeben sich die meisten absichtlich (Purging-Typ). Manche Betroffene treiben auch exzessiv Sport, um die zugeführten Kalorien wieder loszuwerden (Non-Purging-Typ). Andere nehmen zusätzlich Abführmittel ein. Die verschiedenen Maßnahmen, um Gegessenes und auch Körpergewicht zu verlieren, können sich überschneiden und immer wieder abwechseln. Alle Menschen mit Bulimie haben – ähnlich wie bei der Magersucht – furchtbare Angst dick zu werden: Ihre Figur sowie ihr Körpergewicht beeinflussen sehr stark wie sie sich fühlen. Sie machen ihren Selbstwert oftmals daran fest, welche Zahl die Wage anzeigt, was und wie viel sie gegessen haben oder wie viel Sport sie getrieben haben. Dabei streben auch Bulimiker ein utopisches und zugleich krankhaftes Ideal an.

Anzeichen für Bulimie

Im Gegensatz zur Magersucht, bleibt die Ess-Brech-Sucht meist viel länger unerkannt, da die Betroffenen oft ein völlig normales Körpergewicht haben und deshalb nach außen hin erst einmal unauffällig sind. Menschen mit Magersucht hingegen fallen meist durch ihren sehr dünnen Körper auf. Dennoch ist der Leidensdruck der Bulimie-Betroffenen sehr hoch, denn ein Alltag geprägt von Ess-Brech-Anfällen ist überaus Kräfte zehrend. Die Betroffenen erbrechen sich, hungern, verfolgen extreme Diäten oder machen exzessiv Sport, um zu vermeiden, dass sie durch das Essen zunehmen. Auch der Missbrauch von Abführmitteln und Brechmitteln ist psychisch wie körperlich extrem anstrengend. Viele junge Betroffene geraten darüber hinaus nicht selten in Geldschwierigkeiten, weil sie sich für die Lebensmitteleinkäufe häufig Geld leihen müssen.
Quelle: Ola Mur/PixabayQuelle: Ola Mur/Pixabay
Bei einer Bulimie ist der Leidensdruck hoch, der Alltag kann sehr kräftezehrend sein.
Um einen Verdacht von Bulimie beispielsweise bei einem Freund oder einer Freundin zu überprüfen, können folgende Fragen hilfreich sein:
  • Verschwindet sie/er nach dem Essen meistens schnell auf der Toilette?
  • Macht sie/er sehr viel Sport – vielleicht mehr als früher?
  • Nimmt sie/er häufiger Medikamente gegen Verstopfung ein?
  • Schlägt sie/er Einladungen zum Essen meistens aus?
  • Hält sie/er immer wieder streng Diät
  • Kann er/sie kaum mit vermeintlicher Kritik umgehen?
  • Schlägt ihre/seine Stimmung manchmal sehr plötzlich um?
  • Distanziert sie/er sich immer mehr von Familie und Freunden?

Natürlich heißt das nicht, nur weil bei jemand eine oder mehrere dieser Fragen zutreffen, dass sie/er bulimisch ist. Dennoch können diese Fragen einen ersten Hinweis auf eine gestörte Beziehung zu Essen hinweisen geben und es möglich machen, das rechtzeitig abzuklären.

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Ursachen für Bulimie

Die Ursachen für Bulimie, wie für alle Essstörungen, sind sehr vielfältig. Ärzte und Wissenschaftler forschen noch heute daran, herauszufinden, wie wichtig einzelne Faktoren bei der Entstehung von Essstörungen sind. Meistens gibt es jedoch nicht die eine Ursache. So ist zum Beispiel die Genetik wichtig – hatte oder hat jemand in der Familie schon eine Essstörung oder eine Suchterkrankung? Außerdem spielen auch sehr individuelle Faktoren eine Rolle: Wie hoch ist der Selbstwert einer Person, welche Charaktereigenschaften bringt sie mit, durfte sie schon Selbstwirksamkeit erfahren? Gerade utopische Ideale und die sehr hohen Ansprüche, die Betroffene an sich stellen, sind gefährliche Trigger. Auch gesellschaftliche Einflüsse, wie aktuelle Schönheitsideale und das soziale Umfeld sind bei der Entstehung von Bulimie wichtig. Gemeinsam haben sehr viele Betroffene, dass sie das Abnehmen von Gewicht mit Kontrolle über ihr Leben gleichsetzen, weil sie sich in anderen Bereichen ihres Lebens unzulänglich fühlen.

Folgen und Behandlung von Bulimie

Bulimie hat, angefangen bei Müdigkeit und Verstopfung bis hin zu Herzrhythmusstörungen, Verätzung des Rachens und der Speiseröhre sowie Zahnschäden (durch das Erbrechen), Nierenschädigungen und die Entzündung der Bauchspeicheldrüse, schwere körperliche Folgen. Aber auch Bulimie ist eine psychische Erkrankung, die oftmals weitere psychische Erkrankungen mitbringt (Komorbidität) oder aber zur Folge hat: Depressionen, Angststörungen, selbstverletzendes Verhalten, Borderline Störung (u.a).

Essstörungen – so auch Bulimia nervosa – kann man gut behandeln. Stationäre und ambulante Therapien bieten den Betroffenen gute Möglichkeiten, um zum einen ihr Essverhalten zu normalisieren und – auf einer tieferen Ebene – die individuellen Ursachen zu erkennen und einen Umgang mit ihnen zu erlernen. Je früher Bulimie erkannt wird, desto besser stehen die Chancen, die Essstörung komplett hinter sich zu lassen.

 

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Miriam

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Was ist eine Binge-Eating-Störung?

Beitrag aus der Redaktion

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Die Binge-Eating-Störung oder auch Binge-Eating-Disorder gehört wie Magersucht und Bulimie zu den Essstörungen, deshalb ist auch sie eine komplexe psychische Erkrankung. Bis heute ist diese Form der Essstörung – im Gegensatz zu Anorexie und Bulimie – recht wenig erforscht.

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Was bedeutet Binge-Eating-Störung?

Binge“ ist Englisch und bedeutet „Gelage“. Gemeint sind im Deutschen damit die Ess- oder auch Fressattacken, die die Betroffenen bei dieser Essstörung erleiden. Immer wieder haben Menschen mit Binge-Eating-Störung den Drang große Mengen an Essen regelrecht zu verschlingen. Jedoch nehmen sie anschließend keine gewichtsreduzierenden Maßnahmen vor.

Was sind Essattacken?

Bei einer Essattacke, von Betroffenen auch oft Fressanfall genannt, wird eine sehr große Nahrungsmenge in einem begrenzten Zeitraum gegessen. Betroffene verschlingen dann viel mehr als nicht erkrankte Menschen in derselben Zeit essen könnten. Mal eine ganze Tafel Schokolade auf einmal zu essen, ist also nicht ansatzweise mit einer Essattacke zu vergleichen. Während eines Fressanfalls erleben die Betroffenen das Gefühl vollkommen Kontrollverlusts.
Du fragst dich, ob du eine Essstörung hast? Mache hier den Test!

Ursachen für eine Binge-Eating-Störung

Woher die Binge-Eating-Störung kommt, ist bisher noch wenig erforscht. Laut dem Bundesfachverband für Essstörungen litten oder leiden die Hälfte der Betroffenen unter Depressionen. Es ist aber nicht geklärt, ob die Depression die Esssucht hervorruft oder umgekehrt. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Betroffenen, ähnlich wie bei Bulimie und Magersucht, ein geringes Selbstwertgefühl haben. Weitere Faktoren können schwerwiegende persönliche und familiäre Probleme sein, Suchterkrankungen in der Familie, Missbrauch und impulsive Verhaltensweisen.

Essen bedeutet für die Betroffenen oftmals Befriedigung von emotionalen Bedürfnissen. Denn mit „schwierigen Gefühlen“ können sie kaum umgehen. Eine Fressattacke ist so oft ihr einziger Ausweg bei Angstzuständen, Überforderung, Ärger, Trauer, Wut, Zurückweisung, innerer Leere oder Einsamkeit.

Anzeichen für eine Binge-Eating-Störung

Menschen mit einer Binge-Eating-Störung haben kein Gefühl mehr für Hunger und Sättigung. Auch ohne Essattacke essen sie häufig zu viel, unregelmäßig und ungesund. Deshalb sind die meisten Betroffenen auch übergewichtig. Zusammen mit den Fressanfällen und dem Übergewicht schämen sich die Betroffenen für ihr Aussehen und ihr Verhalten und essen deshalb vorwiegend heimlich. Trotz der Anfälle machen sich auch Betroffene von Binge-Eating viele Gedanken um ihr Gewicht und probieren Diäten aus, um ihr Gewicht zu verringern.

 

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Folgen der Binge-Eating-Störung

Wie alle Essstörungen kann auch Binge-Eating schwere körperliche und psychische Folgen und Begleiterkrankungen haben. Müdigkeit, innere Unruhe, Störungen der Atemfunktionen, Kreislaufstörungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates und Schwangerschaftskomplikationen sind nur einige der körperlichen. Viele Betroffene leiden außerdem unter einer Körperschemastörung, Depressionen, Angststörungen, Suchtprobleme und Persönlichkeitsstörungen.

Kann man die Binge-Eating-Disorder behandeln?

Obwohl so wenig über die Ursachen dieser Essstörung bekannt ist, gibt es erfolgreiche Therapien, um sie zu behandeln. Übrigens ist Binge-Eating die am weitesten verbreitete Essstörung. Vor allem ambulante oder stationäre kognitive Verhaltenstherapien sind erfolgsversprechend. Hier werden unter anderen die individuellen Ursachen besprochen und ein gesunder Umgang damit erarbeitet. Außerdem ist es in der Therapie wichtig, ein gesundes Essverhalten zu erlernen und die Grundlagen für ein stabiles Selbstbild aufzubauen.
Erkennst du dich in diesem Text wieder? Hier kannst du dich über verschiedene Hilfsangebote informieren.

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Katrin

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Quelle: Michael Gaida/Pixaybay

Magersucht - Das steckt dahinter

Beitrag aus der Redaktion

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Anorexia Nervosa oder auch Magersucht ist eine komplexe psychische Erkrankung. Genauso wie Bulimia Nervosa und die Binge-Eating-Störung gehört sie zu den Essstörungen. Oft wird angenommen, dass es bei der Magersucht ausschließlich um das schnelle Verlieren von Gewicht, Kalorienzählen und das Dünn sein geht. Tatsächlich beschäftigen sich Betroffene von Essstörungen sehr viel mit Nahrungsmitteln, ihrer Figur und ihrem Körpergewicht.

 

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Die Ursachen und Faktoren, die dafür sorgen die psychische Krankheit aufrechtzuerhalten, liegen aber meist nicht beim Essen oder dem Gewicht an sich, sondern hängen meistens stark mit einem mangelnden Selbstwertgefühl der betroffenen Person zusammen.

Anorexia nervosa – Was ist eigentlich Magersucht

Menschen mit Magersucht haben das Bedürfnis, ihr Körpergewicht permanent zu verringern. Ist ein Gewichtsziel erreicht, setzen sie sich ein noch niedrigeres. Besonders schwere Krankheitsverläufe gehen bis hin zur lebensbedrohlichen Unterernährung oder anderen schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen.

Die meisten Betroffenen leiden unter einer sogenannten Körperschemastörung. Einfach gesagt, meint das, dass sich jemand als viel dicker wahrnimmt, als er tatsächlich ist. Für gesunde Menschen ist das kaum vorstellbar, wie sich ein sehr dünner Mensch als fett empfinden kann.

Magersucht hat die höchste Sterblichkeitsrate von allen psychischen Erkrankungen. Zum einen, weil die Folgeerkrankungen sehr heftig verlaufen können, zum anderen ist die Selbstmordrate bei Menschen mit Magersucht sehr hoch.

Wie bei allen Erkrankungen wird auch bei Anorexia Nervosa die Diagnose über einen Katalog an Symptomen festgemacht. Darunter zählen: ein niedriges Körpergewicht, große Angst der Betroffenen zuzunehmen, selbst herbeigeführter Gewichtsverlust – beispielsweise durch übermäßig viel Sport, sehr geringe Essensmengen oder auch das Einnehmen von abführenden Mitteln, die eben schon angesprochene Körperschemastörung (verzerrte Körperwahrnehmung). Außerdem bleibt bei Mädchen und Frauen oftmals die Monatsblutung aus, Jungen und Männer leiden unter Potenzverlust.

Die Ursachen für alle Essstörungen sind sehr vielfältig. Ärzte und Wissenschaftler forschen noch heute daran, herauszufinden, wie wichtig einzelne Faktoren bei der Entstehung von Magersucht sind. Meistens gibt es jedoch nicht die eine Ursache. So ist zum Beispiel die Genetik wichtig – hatte oder hat jemand in der Familie schon eine Essstörung? Außerdem spielen auch sehr individuelle Faktoren eine Rolle: Wie hoch ist der Selbstwert einer Person, welche Charaktereigenschaften bringt sie mit, durfte sie schon Selbstwirksamkeit erfahren? Auch gesellschaftliche Einflüsse, wie aktuelle Schönheitsideale und das soziale Umfeld sind bei der Entstehung von Magersucht wichtig. Gemeinsam haben sehr viele Betroffene, dass sie das Dünnsein mit Kontrolle über ihr Leben gleichsetzen, weil sie sich in anderen Bereichen ihres Lebens unzulänglich fühlen.

Bin ich magersüchtig? – Typisches Verhalten bei Anorexia Nervosa

Bei sich selbst lässt sich ein gestörtes Esssverhalten oder sogar eine Magersucht recht gut erkennen. Zum Beispiel, wenn man die oben beschriebenen Anzeichen an sich selbst abfragt: Geringes Körpergewicht (BMI), ständige Beschäftigung mit Essen, viel Sport, Einnehmen von Abführmitteln, Ausbleiben der Periode?

Im Internet gibt es auch viele erste Tests, mit denen man sich selbst überprüfen kann. Hier kannst du unseren Test machen und herausfinden, ob du eventuell unter Anorexia Nervosa leidest. Natürlich ist die Abklärung bei einem Arzt unerlässlich. Nicht zuletzt auch, um eine geeignete Behandlung zu finden.

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Was aber, wenn der Verdacht bei einem/r Freund/in, der Schwester, dem Bruder oder einem anderen geliebten Menschen besteht? Dann können folgende Tipps hilfreich sein, um herauszufinden, ob derjenige vielleicht eine Essstörung hat:

  • Beschäftigt sie/er sich viel mit Nahrungsmitteln, isst aber selbst nur wenig bis nichts?
  • Führt sie/er einen Ernährungsplan, listet alles genau auf, was sie/er zu sich nimmt?
  • Zählt sie/er den ganzen Tag Kalorien, achtet beim Einkauf minutiös auf die Nährwertangaben auf den Produkten, notiert sich sie vielleicht sogar?
  • Stellt sich er/sie sehr oft auf eine Waage? Unter Umständen mehrmals täglich?
  • Verschwindet sie/er nach dem Essen meistens schnell auf der Toilette?
  • Macht sie/er sehr viel Sport – vielleicht mehr als früher?
  • Ist ihr/ihm oft kalt, hat blaue Finger – obwohl es eigentlich angenehm ist?
  • Schlägt sie/er Einladungen zum Essen meistens aus?
  • Kann er/sie kaum noch mit vermeintlicher Kritik umgehen?
  • Schlägt ihre/seine Stimmung manchmal sehr plötzlich um?
  • Distanziert sie/er sich immer mehr von Familie und Freunden?

Mehr dazu findest du auch in diesem Blogbeitrag. Natürlich heißt das nicht, nur weil bei jemand eine oder mehrere dieser Fragen zutreffen, dass sie/er magersüchtig ist. Dennoch können diese Fragen einen ersten Hinweis auf eine gestörte Beziehung zu Essen hinweisen geben und es möglich machen, das rechtzeitig abzuklären.

Schwere Folgen bei Magersucht

Denn die Krankheit Anorexia Nervosa kann unter Umständen schwere Folgen für die Betroffenen haben. Körperliche Schäden können sein:

  •  Störungen der Fruchtbarkeit
  • Haarausfall
  • Osteoporose (geringe Knochendichte)
  • Nierenschäden
  • Herz-Kreislaufstörungen
  • Störungen im Magen-Darm-Bereich
  • Zahnschäden

Aber auch psychische Veränderungen können sich durch eine Magersucht einstellen. Viele Betroffene werden zum Beispiel depressiv. Durch den Rückzug aus dem sozialen Umfeld in der Erkrankung, fühlen sich viele Betroffene auch einsam und tun sich schwer wieder sozialen Anschluss zu finden. Von Schwierigkeiten in der Schule oder bei der Arbeit berichten auch viele Betroffene, da es ihnen in dieser Zeit des erheblichen Mangels schwerfällt, sich auf etwas zu konzentrieren. Oft sind schlechte Noten, Sitzenbleiben oder sogar der Verlust des Arbeitsplatzes die Folge.

Ist Magersucht heilbar?

Ja. Gerade, wenn die Krankheit früh erkannt wird, haben Betroffene sehr gute Chancen vollständig zu genesen. Aber auch bei einem schon längeren Krankheitsverlauf können Menschen mit Essstörungen durch verschiedene Therapieansätze und Unterstützungsangebote lernen, gut mit der Krankheit umzugehen und ihren Alltag wieder selbst in die Hand zu nehmen.

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Nadine

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Sätze, die Essgestörte nicht hören wollen

Quelle: Mutimbauch

Die Denkvorgänge von Menschen mit Essstörung sind für gesunde Menschen oft nicht nachvollziehbar und so kommt es hin und wieder zu Situationen in denen man als Freund oder Angehöriger einer Person mit Essstörung etwas Nettes sagen möchte, es aber total falsch beim anderen ankommt. Gerade auf dem Weg raus aus der Essstörung hat die Person mit einer Menge Veränderungen umzugehen, was oft alles andere als leicht ist. Es ist wichtig, dass Betroffene gerade in dieser schweren Zeit emotionale Unterstützung von Ihrem Umfeld erfahren. Und damit diese Unterstützung auch wirklich so ankommt, wie vom Absender beabsichtigt und um Missverständnissen vorzubeugen, nenne ich euch drei typische Sätze, die Menschen mit Essstörung auf keinen Fall hören wollen!

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Das sind ja ganz schöne Mengen, die du da verdrückst!

Hintergrund: Nach der Essstörung haben die meisten Betroffenen mit extremem Hunger zu kämpfen. Das ist total normal und gehört zur Genesung dazu. Ich selbst habe mehr als das
Doppelte meines Tagesbedarfes gegessen. Für Außenstehende ist das oft sehr erstaunlich, weil sie selbst diese Mengen niemals essen könnten. Sie möchten die Betroffene mit diesem Satz keinesfalls angreifen – ganz im Gegenteil ist es so, dass sie damit ausdrücken möchten, wie froh sie sind, dass die Betroffene überhaupt wieder isst.

Wie es bei der Person mit Essstörung ankommt: Die Betroffene weiß selbst, dass ihr Essverhalten nicht normal ist, aber sie weiß auch, dass sie keine andere Wahl hat und nur so wieder gesund werden kann und auf Dauer ein normales Hunger- und Sättigungsgefühl zurückerlangen kann. Wenn ihr dann auch noch jemand vor Augen hält, wie unnormal sie isst, dann führt das zu sehr unguten Gefühlen.

Das kannst du stattdessen tun: Am allerbesten ist es tatsächlich, das Essverhalten der Betroffenen überhaupt nicht zu kommentieren und ihr das Gefühl von absoluter Normalität zu vermitteln. Es mag dir schwerfallen, da du ja nur deine Zuneigung ausdrücken möchtest. Aber glaube mir: Alles, was die Betroffene möchte, ist ein normales Essverhalten. Du kommentierst das Essverhalten von Gesunden ja auch nicht, also versuche es doch auch hier zu unterlassen.

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Das hast du doch früher nicht gegessen!

Hintergrund: Eine Essstörung geht oft mit Restriktion von verschiedenen Lebensmittel(-gruppen) einher. Nahestehende Personen bekommen teilweise über Jahre hinweg mit, dass die Betroffene bestimmte Sachen einfach nicht isst. Niemals. Sie kennen es nicht anders von ihr. Auf dem Weg aus der Essstörung gehört es aber dazu, diese Restriktionen aufzugeben und so kann es dazu kommen, dass man die betroffene Person Dinge essen sieht, die sie früher niemals gegessen hätte. Und auch hier ist es oft so, dass ein Satz wie dieser total positiv gemeint ist und man dieser Person damit helfen möchte.

Wie es bei der Person mit Essstörung ankommt: Es ist nicht so, dass es der Betroffenen leicht fällt, die Dinge zu essen, die sie früher nicht angerührt hat. Und oft trägt sie währenddessen einen  inneren Kampf aus, den das Umfeld nicht einmal erahnen kann. Wenn dann auch noch so ein Kommentar kommt, dann kann es – je nach Stimmungslage – passieren, dass die Betroffene alles über Bord wirft und Gedanken bekommt wie: „Stimmt, er hat recht. Eigentlich sollte ich das gar nicht essen.“ Dieser eine Satz hat also die Macht, das ganze hart erarbeitete Verhalten mit einem Mal zu untergraben.

Das kannst du stattdessen tun: Auch hier wäre es wieder am besten, das Essverhalten garnicht zu kommentieren. Aber was du grundsätzlich immer sagen kannst, sind Dinge wie: „Ich bin total stolz auf dich.“ „Du machst das richtig gut.“

Die paar Kilo mehr stehen dir richtig gut!

Hintergrund: Hier gibt es nicht viel zu sagen. Zu der Genesung von einer Essstörung gehört in den allermeisten Fällen eine Zunahme dazu. Und die fällt auf.

Wie es bei der Person mit Essstörung ankommt: Eine Zunahme ist das sensibelste Thema überhaupt. Und auch wenn derjenige, der die oben genannten Sätze sagt, damit nicht meint: „Du hast aber ganz schön zugenommen!“ so kommt es doch genauso beim Betroffenen an. Als Betroffene weiß man, dass man zunimmt. Man nimmt jedes Kilo wahr und es ist die Hölle. Manchmal kann es helfen, wenn man sich einredet, dass die Zunahme vom Umfeld nicht bemerkt wird, auch wenn man weiß, dass das nicht der Wahrheit entspricht.

Das kannst du stattdessen tun: Hier solltest du dich ganz klar an die Regel halten: Äußere dich NIEMALS zu der Figur einer Person mit Essstörung. Vollkommen egal in welchem Stadium sie sich gerade befindet. Hier wird jedes einzelnen Wort, das du sagst sofort auf die Goldwaage gelegt und die Betroffene denkt über einen Satz, den du nur so im Vorbeilaufen sagst womöglich tage- und wochenlang nach. Was du sagen kannst, sind die Dinge wie: „ Du strahlst total!“ oder „Du siehst toll aus!“ (dabei bitte keinen abschätzenden Blick auf den Körper!)

Quelle: MutimbauchQuelle: Mutimbauch

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Lisa C.

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Quelle: Mutimbauch

"Ich habe keine Angst vor Essen"

Quelle: privat

Sina spricht auf Instagram, in Videos und ihrem Blog offen über ihre Vergangenheit mit einer Essstörung, zeigt herrlich ehrliche Bilder von ihrer kleinen Familie und inspiriert durch positive Selbstauffassung dazu, im Sinn des Lebens mehr zu sehen als nur einen möglichst dünnen Körper. Natalie hat mit ihr gesprochen und unter anderem erfahren woran Sina merkt, dass sie mit ihrem Körper im Reinen ist.

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NATALIE für In-Cogito: Hey Sina, schön, dass wir miteinander sprechen können. Danke, dass du dir die Zeit für unseren Blog nimmst. Wie geht’s dir?

SINA: Ich freue mich auch. Mir geht’s super. Ich bin ein bisschen müde, aber das ist halt so, wenn ein Baby dein Leben auf den Kopf stellt. Es ist auch sehr schön.

NATALIE: Du teilst auf deinem Instagram-Profil, wo dir über 10.000 Menschen folgen, herrlich ehrliche und berührende Beiträge, wo man auch deine Familie inklusive Hunde bestaunen darf. Du sprichst dort aber auch offen davon, dass du jahrelang auf Kriegsfuß mit deinem Körper standest. Kannst du uns ein bisschen davon erzählen?

SINA:  Ich kann mich ganz eindeutig daran erinnern, dass ich meinen Körper von klein auf überhaupt nicht mochte. Ich habe mich immer zu dick gefühlt und mich ständig mit anderen verglichen, sogar bereits im Kindergarten. Schon von ganz früh an fand ich, dass mein Bauch irgendwie viel dicker ist als der von anderen Mädchen. Da habe ich mich immer mehr rein gesteigert, bis ich schließlich mit zwölf Jahren meine erste Diät begonnen habe. Ich hatte nur ein Ziel: Abnehmen. Bezug zu meinem Körper hatte ich absolut nicht. Das wurde dann auch die nächsten Jahre immer schlimmer.

NATALIE: Auch professionelle Hilfe war gar nicht so hilfreich für dich, oder? Warum nicht?

SINA: Es war auf keinen Fall so, dass es mir überhaupt nichts gebracht hat. Sie hat mir unheimlich viele Erfahrungen ermöglicht. Ich konnte dort sehr ausführlich über meine Probleme sprechen und mich selbst viel besser kennen lernen. Wenn man Auge zu Auge so intensiv mit jemandem über seine Sorgen und Ängste spricht und sein Verhalten und die Konsequenzen reflektiert, dann ist das eine immense Hilfestellung. Also es hat definitiv was gebracht, war aber eben nicht der einzige Schlüssel zur Genesung.

NATALIE: Wie war es denn für deinen Partner, das mitzuerleben?

SINA: Am Anfang unserer Beziehung wusste er von garnichts. Es hat gut ein halbes Jahr gedauert, bis ich ihm dann erzählt habe, womit ich ringe. Davor hat er halt nur mitbekommen, dass ich mich komisch verhalte, und das ist natürlich irritierend. Man weiß gar nicht, was der Partner hat und ob man was falsch gemacht hat. Nach diesem Gespräch war er zumindest dahingehend erleichtert. Er ist in der ganzen Zeit nicht von meiner Seite gewichen und hat mich immer unterstützt, mir zugehört und mir versichert, dass wir da gemeinsam durchkommen. Aber insgesamt war es trotzdem ein krasses auf und ab. Es gab schon den ein oder anderen Moment, wo wir an der Beziehung gezweifelt haben. Ein Problem war, dass ich das Gefühl hatte „Er weiß ja sowieso nicht, worum es geht“. Das ist schon eine gewisse Barriere. Aber es ist ja alles gut gegangen.

NATALIE: Ja, als Außenstehender fühlt man sich da auch total hilflos. Was genau war dann letztendlich der zündende Funke, der das Feuer der Veränderung in dir entfacht hat?

SINA: Der lag zwischen dem Moment, als ich ganz klar beschlossen habe, dass ich etwas gegen meine Essstörung unternehmen muss und dem Zeitpunkt, ab dem ich keine Rückfälle mehr hatte. Dazwischen liegen zwei Jahre. In diesen Jahren war ich allerdings noch nicht gesund. Das waren Jahre des Kämpfens, in denen ich immer noch extrem stark auf meine Kalorieneinnahme geachtet habe, Essen ganz genau im Blick hatte und so weiter. Davon konnte ich mich überhaupt nicht losreißen.

In dem Zeitraum bin ich dann für ein Praktikum nach Österreich gezogen. Der Tapetenwechsel in Kombination mit einem sehr schlimmen privaten Ereignis haben mich rückfällig werden lassen. Und dann ging es mit dem Erbrechen wieder los. Aber da kam dann dieser eine Punkt, als ich mir selbst in die Augen geschaut hab und meinte „Hey, das hilft alles nichts, egal wie oft ich über der Kloschüssel hänge, all die Dinge, die passiert sind, werden nicht rückgängig gemacht dadurch, dass ich mich so quäle.“

NATALIE: Und auslöschen kann man die ja auch nicht. Auf deiner Website schreibst du, dass du heute “voller Stolz sagen [kannst], dass du im Reinen mit deinem Körper bist: schlank und trotzdem entspannt im Umgang mit Essen.” Bewusst provokativ gefragt: Schlank sein ist dir trotzdem wichtig?

SINA:  Das habe ich ganz bewusst so formuliert, weil ich eben genau weiß, dass die größte Angst von essgestörten Menschen ist, durch die Umstellung auf eine gesunde Ernährung übergewichtig zu werden. Diese Angst wollte ich ihnen nehmen. Damit wollte ich aktiv eine Hürde hin zum Heilungsweg adressieren und klar machen, dass das nicht zwingend der Fall sein muss. Und dann kommt da noch die Assoziationen, die ich persönlich mit bestimmten körperlichen Adjektiven habe. Ich bin heute „schlank“. Das bedeutet für mich, dass ich eine gesunde Ernährung genieße und keine Angst vor Essen habe. Es gibt keine Verbote, alles ist erlaubt. Im Gegensatz dazu wollte ich früher „dünn“ sein. Dieses Wort war mein Feind, mit dem ich ständig gerungen habe. Grundsätzlich aber ist mir etwas anderes noch viel wichtiger: diese Worte sollten wertfrei sein, und das gilt nicht nur für dünn und schlank, sondern auch für dick, pummelig und so weiter. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der solche Adjektive keine negativen Konnotationen mehr haben, sondern allenfalls positiv.

NATALIE:  Heute bist du nicht nur im Einklang mit dir selbst, du möchtest auch anderen Menschen, die mit ähnlichen Dämonen kämpfen, helfen. Wie genau gestaltest du diese Mission?

SINA: In einem ersten Schritt ist es für mich zuallererst wichtig, zu beurteilen, wie hilfsbedürftig der Mensch ist, der meine Hilfe sucht. Am besten wäre es nämlich, wenn diese Person bereits Therapie in Anspruch nimmt und ich dann das zusätzliche Coaching anbieten kann. Meine Leistung soll auf keinen Fall eine Therapie ersetzen. Ich bin dann für die Menschen da und höre zu und kann wirklich aus eigener Erfahrung nachvollziehen, was die Person gerade durchmacht. Zusätzlich zur empathischen Unterstützung sind meine Ratschläge auch noch insofern qualifiziert, als dass ich ausgebildete Heilpraktikerin für Psychotherapie und Ernährungsberaterin bin. Dadurch entsteht eine gemeinsame Basis, die Person fühlt sich wirklich verstanden, UND bekommt professionelle Unterstützung. Die Behandlung insgesamt ist dann natürlich immer individuell auf den Menschen angepasst, der Hilfe sucht, das möchte ich hervorheben. Das ist mir einfach wichtig.

NATALIE: Wenn du damals jemanden zur Seite gehabt hättest, der du heute für andere sein möchtest, so, wie du es beschrieben hast, welche Message hätte dir da besonders geholfen?

SINA: Da muss ich kurz überlegen. Ich glaube, alleine jemanden zu sehen, der es geschafft hat, aus dieser wahnsinnig finsteren Phase rauszukommen, wäre für mich bahnbrechend gewesen. Weißt du, als essgestörte Person hat man immer das Gefühl „So krass gestört wie ich kann doch niemand anderes sein“. Aber dann einfach den eigenen Kampf und den Erfolg bei jemand anderem zu sehen, das wäre enorm kräftespendend und treibend für mich gewesen. Damals gab es leider noch kein Social Media, wo ich auf Menschen hätte stoßen können, die die Arbeit leisten, die ich und andere heute machen. Vor Augen geführt zu bekommen „Schau mal, ich habe auch dies und jenes gemacht, und heute steh ich trotzdem hier und bin stark, gesund und unabhängig und lass mich nicht mehr von Essen kontrollieren. Es ist kein Hexenwerk, die Essstörung zu besiegen. Bleib dran und setzte dich mit dir auseinander. Auch wenn es verdammt hart und anstrengend ist, es wird es wert sein“. Das ist eine machtvolle Nachricht, die ich mir jetzt im Nachhinein gewünscht hätte.

NATALIE:  Wo wir jetzt schon bei Social Media sind. Du bist ja jetzt einer dieser tollen Menschen, die diese Botschaft in die Welt hinaustragen. Was ist dir denn wichtig, wenn du all die besprochenen Dinge auf deinen Plattformen kommunizierst?

SINA: Ich lege darauf Wert, deutlich zu machen, dass all die Dinge, von denen ich erzähle, meinen persönlichen Weg beschreiben. Auch ich habe keine universelle Lösung für Essstörungen. Die gibt es nicht. Grundsätzlich würde ich schon, sagen man kann sich irgendwie vergleichen, wenn man sich anschaut, wie jemand ein Problem in Angriff nimmt zum Beispiel. Aber es gibt auch Fragen, die würde ich nicht beantworten, weil es niemandem hilft:
– „Wie lange hat der extreme Hunger bei dir angedauert?“
– „Wann hat deine Periode wieder eingesetzt?“
– „Wieviel hast du dann und da gegessen?“
Man kann keinen Heilungsweg pauschalisieren. Jeder Körper ist anders.

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NATALIE: Gibt es denn Accounts, die du den Lesern von in-cogito.de empfehlen kannst? Die, die uns zum Lachen bringen, zum Nachdenken, und uns Mut machen, ganz so wie deiner?

SINA: Also da wären bodyposipanda, Ellen Fisher, jiggyjules, vonkopfbisfuss_ und kim____Hoss. Von denen dreht sich nur der erste Account um Körperakzeptanz und das sind auch alles keine Recovery Accounts, bei denen es um den Weg aus der Essstörung geht. Vielmehr sind das einfach erwachsene Frauen, die sich so akzeptieren, wie sie sind. Mit allen Fehlern und Schwächen. So etwas finde ich unglaublich inspirierend. Außerdem liebe ich es, die Stories dieser Accounts zu schauen, die sind einfach nur toll.

NATALIE: Gab es eigentlich nach dem “großen Wendepunkt” mal Rückschläge? Hattest du zum Beispiel vor oder während deiner Schwangerschaft mal Panik, wenn du an die körperlichen Veränderungen während der Schwangerschaften gedacht hast, und wie bist du damit umgegangen?

SINA: Meine letzten Rückfälle hatte ich 2014, das ist inzwischen fünf Jahre her. Von denen gab es aber einige. Das war nicht unbedingt die Bulimie, sondern ich habe stattdessen eine Sportsucht entwickelt und meine Ernährung immer noch krass kontrolliert. Das war mir auch bewusst, aber ich habe das in Kauf genommen, weil es für mich das kleinere Übel war. Aber auch da hatte ich große Angst, dass ich da nicht mehr rauskomme. War ja aber zum Glück nicht so.

Meine Schwangerschaft begann 2018 und da war das überhaupt kein Thema mehr, das hat alles super geklappt. Ich habe mich ja auch bewusst entschieden, ein Kind zu bekommen. Ich war mir vollkommen im Klaren darüber, was mit meinem Körper geschehen würde und habe auch alles dafür getan, gesundheitlich bestens darauf vorbereitet zu sein, ein Kind auszutragen. Ich war da schon zu 100 Prozent mit mir im Reinen.

NATALIE:  Das Thema Ernährung beschäftigt dich ja heute immer noch, aber nicht mehr aus einem negativen Antrieb heraus. Du lebst inzwischen vegan. War das für dich eine Hilfe, die Essstörung hinter dir zu lassen?

SINA: Auf eine vegane Ernährung bin ich 2012 umgestiegen. Das hat sich zum Teil mit der schlimmsten Phase meiner Essstörung überschnitten, war aber zum damaligen Zeitpunkt eine rein ethische Entscheidung. Mit meiner Ernährung per se hatte das da noch nichts zu tun. Allerdings hat mir das enorm geholfen, weil ich mich mal richtig mit Lebensmitteln beschäftigt habe: Wie kauft und kocht man frisch, welche tollen Rezepte gibt es? Vegane Ernährung beinhaltet unheimlich viel frisches Obst und Gemüse. Das hat mir die Angst genommen, bestimmte Sachen essen zu „müssen“, die ich nicht essen wollte, es gab keinen Zwang mehr, jetzt unbedingt die fette Pizza mit Käse oder das Schäuferle zu essen. Veganismus alleine war nicht meine Rettung, aber dafür eine enorme Erleichterung.

NATALIE: Auf was legst du bei deiner Ernährung heute wert, neben dem Offensichtlichen (vegan)?

SINA: Der Veganismus hat mich gelehrt, wie essenziell die Nährstoffe in unserer Nahrung sind. Und das praktiziere ich heute jeden Tag. Nährstoffbewusstsein ist für mich als Ernährungsberaterin natürlich eine Selbstverständlichkeit. Das ist auch wirklich wichtig, aber es gibt keine Verbote. Ich versuche so gut es geht, immer frisch zu kochen, auch mit meiner Tochter in der Küche. Wenn die Prioritäten an einem Tag jedoch mal anders gesteckt werden müssen, dann gibt’s halt zweimal Brot zum Essen für mich. Das ist völlig okay. Insgesamt geht es für mich ja um eine ausgewogene Ernährung und das heißt auch, dass es keine Verbote gibt. Das schließt zum Beispiel Industrie-Zucker ein. Wenn ich jetzt Lust auf das vegane Eis habe, dann wird dieses Gelüst befriedigt und das Eis genossen, oder der Kuchen. Was auch immer. Auch meiner Tochter werde ich niemals etwas verbieten. Wenn sie etwas bestimmtes essen möchte, soll sie das tun.

NATALIE:  Hast du abschließend noch etwas hinzuzufügen, was dir auf dem Herzen liegt?

SINA: Eigentlich nicht, du hast so tolle Fragen gestellt, dass ich nichts mehr hinzuzufügen habe.

NATALIE: Über das Kompliment freu ich mich. Vielen Herzlichen Dank für dieses wundervolle Gespräch!

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Mandy Phan

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Alles Liebe, Deine Incogito-Redaktion.

Magersucht, Bulimie, Body-Positivity: Heute weiß ich, ich bin gut so wie ich bin!

Quelle: privat

Tini

Eine Klassenfahrt war der Auslöser, dass Tini Schritt für Schritt in eine Essstörung hineingerutscht ist. Der Weg zurück war von Rückschlägen geprägt, aber heute sieht sie jeden Tag als Geschenk und verurteilt Body-Shaming in sozialen Netzwerken. Wie sie gelernt hat, ihren Körper so zu akzeptieren wie er ist.

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2012 : Meine neue beste Freundin „Hunger“

Meine Geschichte begann kurz vor der Abschlussfahrt in der 10. Klasse. Bis dato hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, was ich esse oder wie viel. Ich tat es einfach, wenn ich Hunger hatte und hörte auf, wenn ich satt war.

Auf der besagten Fahrt bekam ich bei den Mahlzeiten mit, wie meine Mitschülerinnen zehn Mal um das Buffet liefen, um das Gesündeste rauszusuchen. Ich dachte mir nur „Was für ein Quatsch, ich esse einfach das, worauf ich Lust habe.“ Doch die Woche blieb nicht ganz ohne Folge. Von da an befasste ich mehr mit Ernährung und stellte fest, dass ich mich noch wesentlich gesünder ernähren konnte, als ich das zu dem Zeitpunkt tat – zumindest vermittelten mir das meine Online-Quellen. Ich achtete fortan darauf, mehr Gemüse und Obst zu essen.

Nach den Sommerferien kam ich in die Oberstufe. Eine Freundin wollte abnehmen, sie erzählte mir von einer App, die einem genau ausrechnet, wie viel man essen darf, abhängig von dem angestrebten Gewichtsverlust pro Woche. „Cool!“, entgegnete ich mir, „da mache ich doch einfach mal mit.“

Wir beide ließen uns eine Zahl berechnen und legten los, komplett ahnungslos. Die ersten Tage waren hart, weil wir beide feststellten, wie schnell eine bestimmte Kalorienzahl erreicht war. Ein ausgiebiges Frühstück und schon war das Budget aufgebraucht. Also: Komplette Umstellung. Am nächsten Tag ging ich mit meiner Mutter einkaufen. Es dauerte ewig, weil ich jedes Lebensmittel erstmal auf dessen Kalorienanzahl überprüfen musste, bevor er im Einkaufswagen landete. Allgemein beschränkte sich meine Auswahl auf Knäckebrot, Putenaufschnitt, mageren Frischkäse und Tomaten. Der Hunger und das tägliche Wiegen gehörten zu meiner Tagesroutine. Hinzu kam sehr bald noch der Sport. Fast jeden Abend ging ich laufen, mittags schwimmen oder machte Zumba – oft mehrmals täglich. Schon sehr bald war ich gefangen in diesem Kreislauf. Ich nahm innerhalb weniger Wochen zehn Kilo ab und fühlte mich echt toll. Ich bekam Komplimente von den Menschen um mich herum, vor allem von meiner Mutter. Ich bekam die Aufmerksamkeit, die ich mir immer gewünscht hatte. Es war die schönste Zeit meines Lebens bis dato.

Es fühlte sich toll an, mit hungrigem Magen ins Bett zu gehen, weil ich dann wusste, dass die Waage am nächsten Tag wieder weniger anzeigen wird.

2013: Blind mittendrin

Partyurlaub mit meinen Mädels stand an. Ich machte mir schon Wochen vorher einen Kopf, wie ich trotz Alkohol und Essen meine Kalorien niedrig halten soll. Während die anderen aßen, hungerte ich mich so durch die Tage. Nach der Woche kam ich mit +1,5 Kilo zurück und war echt geknickt über die Gewichtszunahme. Aber ich wollte wieder durchstarten und weiter abnehmen. Doch es kam alles anders. In dem Urlaub hatte ich einen Jungen kennengelernt, eine Fernbeziehung entstand und wir verbrachten jedes Wochenende zusammen. Sein Vater war Koch und bekochte uns regelmäßig. Ich wollte nicht, dass meine Essstörung auffällt, also versuchte ich wieder normal zu essen. Außerdem gab es ja auch keinen Grund noch weiter abzunehmen, da ich ja jemanden hatte, der mich schön fand.

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2014: Rückschlag und der Beginn meiner Bulimie

Ab dann ging mein Leben irgendwann ziemlich den Bach runter. Ich hatte in einem Jahr die zehn Kilo wieder drauf und sogar noch ein paar Kilos mehr, weil mein Stoffwechsel so runtergefahren war und nicht mehr hinterherkam. Ich war unzufrieden mit mir und das wirkte sich auch auf die Beziehung aus. Es gab immer mehr Stress, Eifersucht und Zweifel. Ein halbes Jahr hielt es noch, dann war Schluss, weil er mich nicht immer wieder aufbauen konnte. Ich war sauer, sauer auf ihn, dass er nicht da war, als ich ihn so sehr gebraucht habe und sauer auf mich, dass ich mein Leben nicht mehr unter Kontrolle hatte.

Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Hinzu kam, dass ich niemanden zum Reden hatte. Ich lebte bei meiner Mutter, sie war alleinerziehend und leider sehr viel unterwegs. Wenn ich von meinem Tag erzählte, hörte sie mir nicht zu. Irgendwann hörte ich auf, mit ihr zu reden und zog mich immer weiter zurück. Eines Tages fiel mir auf, dass sie nach jeder Mahlzeit auf die Toilette ging. Ich machte mir Sorgen und lauschte an der Tür. Sie erbrach sich, täglich. Doch ich traute mich nicht, sie darauf anzusprechen. Ich recherchierte im Internet, Diagnose: Bulimie.

Bulimie ist eine Erkrankung, die sich unter anderem durch übersteigerten Appetit und übermäßiges Essen auszeichnet. Sie gehört zusammen mit der Magersucht, der Binge-Eating-Störung und der Esssucht zu den Essstörungen. Ein typisches Merkmal sind Essanfälle, nach denen sogenannte „gegenregulatorische Maßnahmen“ ergriffen werden. Das heißt, die Betroffenen erbrechen sich, hungern, verfolgen extreme Diäten oder machen exzessiv Sport, um zu vermeiden, dass sie durch das Essen zunehmen. Auch der Missbrauch von Abführmitteln und Brechmitteln kann vorkommen.

Ich befasste mich immer mehr mit dem Thema und sah darin die Chance, wieder auf den „richtigen Weg“ zu kommen. Ich begann, mir ebenfalls den Finger in den Hals zu stecken. Anfangs sehr erfolglos, mit der Zeit funktionierte es besser. Ich rutschte in einen Kreislauf aus übermäßigen Essanfällen, gefolgt von mehrmaligem Erbrechen. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass ich mein unnatürliches Verlangen nach Süßigkeiten, welches auf meinen seelischen Problemen basierte, stillen und gleichzeitig das Essen wieder loswerden konnte. Ich hätte gerne jemanden zum Reden gehabt, aber wie bereits erwähnt: Meine Mutter war in dieser Angelegenheit nicht der richtige Ansprechpartner. Somit fing ich an alles in mich reinzustopfen (im wahrsten Sinne des Wortes).

Natürlich blieben meine Essanfälle und das Erbrechen nicht unbemerkt. Meine Mutter stellte mich zur Rede, allerdings wies ich ihre Anschuldigungen zurück. Ich wollte mir selbst nicht eingestehen, was ich meinem Körper da antat und mich erst recht nicht vor ihr entblößen. Dass ich dadurch nur noch weiter in die Essstörung rutschte, nahm ich anfangs gar nicht wahr. Immer wieder versuchte ich damit aufzuhören, schaffte es aber nicht. Ich dachte darüber nach, wie einfach es wäre, meinem Leben ein Ende zu setzen. Das ging bis 2016 so.

2016: Neuanfang

Mit Beginn meines Studiums und Umzug in eine WG, weg vom häuslichen Druck durch meine Mutter, begann ich zu einer Therapeutin zu gehen. Ich wusste, dass ich da alleine nicht rauskommen würde.

Ich schämte mich.

Es war nicht einfach, darüber zu reden, mir selbst einzugestehen, was ich meinem Körper da angetan habe. Ich schämte mich dafür, dass ich zu schwach war, um mir selbst zu helfen. Doch die Gespräche halfen mir. Endlich hatte ich jemanden, bei dem ich all meine Sorgen und Ängste loswerden konnte. Ich begann, die Zeit zu verarbeiten und Ordnung zu schaffen. Das Erbrechen wurde immer seltener, die Essanfälle dauerten noch etwas länger an.

Nach drei Monaten wöchentlicher Sitzung gab, es keine offenen seelischen Wunden mehr und damit hörte auch das Verlangen nach Essen auf. Ich hatte mein Leben wieder unter Kontrolle. Ich ging noch ein paar Monate zur Therapeutin, bis wir beide der Meinung waren, dass ich allein weiter machen kann. Seitdem bin ich frei von Rückfällen.

Heute

Es hat nochmal etwa zwei Jahre gedauert, bis ich wirklich komplett mit dem Kalorienzählen aufhören konnte. Da ich mich so intensiv damit befasst hatte, weiß ich heute noch immer bei den meisten Lebensmitteln die genaue Kalorienzahl. Verrückt, nicht wahr?  Ich fing an, meinen Körper immer mehr zu akzeptieren und Stück für Stück zu lieben, denn er leistet jeden Tag so viel für mich, trägt mich überall hin und ist gesund. Das sollte man nicht vergessen.

Auch das Gespür für den eigenen Körper musste ich nochmal neu erlernen. Hungergefühl kannte ich lange nicht. Heute befasse ich mich viel mehr mit meinem Körper, versuche auf seine Signale zu hören und mir etwas Gutes zu tun. Doch in manchen Situationen sind da wieder diese „das darfst du nicht essen“-Gedanken. Das ist meiner Meinung nach nur menschlich und sollte nicht runtergemacht, sondern akzeptiert werden. Denn: Die Gedanken haben nur die Macht an Einfluss, die man ihnen erteilt. Ich nehme sie bewusst war und verabschiede sie wieder mit den Worten: „Oh hi lieber Gedanke, ich tue mir damit jetzt etwas Gutes.“ 

Ich bin der Meinung, dass man eine Essstörung nie ganz verabschieden kann, man kann nur bestimmen, inwieweit sie die eigene Lebensweise noch bestimmt.

Es ist ein stetiger Prozess dagegen anzukämpfen. Und ich kann aus Erfahrung sagen: Es ist kein leichter Weg, der geprägt ist von vielen Rückschlägen. Aber ich habe es durchgezogen und kann sagen: Es lohnt sich immer wieder aufzustehen und sich Mut zuzusprechen. Ich habe wieder meine Lebensfreude zurück, jeder Tag ist ein Geschenk. Natürlich, es gibt immer mal schlechte Tage, an denen man einfach nur im Bett liegen und die Decke weit über den Kopf ziehen möchte, aber gerade das ist die Herausforderung: Aus solchen Tagen das Beste rauszuholen und stolz darauf zu sein.

Wer das Leben genießt, macht nichts falsch.

Ich sage mir das selbst oft genug. Und trotzdem wird diese Einstellung auch auf harte Proben gestellt. Leider werden heutzutage in den Sozialen Medien, vor allem Instagram und TV-Serien, wie „Germany’s next Topmodel„, sogenannte Schönheitsideale als allgemein geltend kommuniziert, die unerreichbar und gefährlich sind. Gerade Frauen werden nur auf ihr Äußeres reduziert. Als „schön“ bezeichnet man einen 90-60-90 abgemagerten Körper und eine makellose Haut. Der Charakter ist nebensächlich, ganz schön oberflächlich!

Kein Wunder, dass vor allem Jugendliche zur stärksten Risikogruppe bei Essstörungen gehören. Wenn in dieser ohnehin schon sehr emotionalen Phase der menschlichen Entwicklung, in der man unbedingt dazu gehören möchte, zusätzlich noch der soziale Druck steigt, „schön“ sein zu müssen, kann es schwer fallen, die Kontrolle zu behalten.

Vor allem in diesem Jahr sind die damit verbundenen Themen Body-Shaming und Body-Positivity sehr präsent.

Body-Shaming ist das Pendant zu Body-Positivity und wird durch das, durch die Gesellschaft bestimmte Schönheitsideal hervorgerufen. Leute, die diesem Ideal nicht entsprechen, fühlen sich ausgeschlossen bis hin zur Scham für den eigenen Körper.

Body-Positivity ist die Gegenbewegung zu Body-Shaming und steht für die Verkörperung von Selbstvertrauen, sich nicht wegen seines Körpers zu schämen. Es gibt kein dick oder dünn. Jeder soll sich wohl fühlen, ohne von der Gesellschaft bestimmte Ideale aufgedrückt zu bekommen. Jeder, der einen Bikini trägt, hat damit eine Bikini-Figur – ganz unabhängig von seinem Äußeren.

Ein sehr inspirierender Instagram Account, den ich jedem, der sich noch mehr mit dem Thema befassen möchte, nur ans Herz legen kann, ist dieser:

Die schweizerische Grundschullehrerin kämpft seit ein paar Jahren gegen diese fehlerhaften Schönheitsideale, hält Vorträge und provoziert gleichzeitig mit charmanten Tanzvideos, in denen sie ihren, wie sie selbst sagt, „nicht makellosen Körper“ präsentiert. Aus ihrer Essstörungsvergangenheit macht sie kein Geheimnis, sondern nutzt ihre Erfahrung, um mit gutem Beispiel voranzugehen. Neben einigen Hasskommentaren, auf die sie mit neuen Tanzvideos reagiert, erntet sie ganz viel Lob und Respekt aus der Community. Sie ist für viele, auch für mich, ein Vorbild.

Sollte nicht jeder selbst bestimmen können, in welchem Körper man sich wohl fühlt und wie man aussehen möchte? Gerade die Individualität jedes Einzelnen macht das Leben doch so lebenswert und aufregend. Meine persönliche Erfahrung mit dem Thema Essstörungen hat mich gelehrt, meinen Körper so zu akzeptieren wie er ist. Nicht jeden Tag, aber jeden Tag ein Stückchen mehr.

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Julia

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Alles Liebe, Deine Incogito-Redaktion.

Ich wollte nicht mehr hungern

Quelle: Anemone123/Pixabay

Isa

Ihr Perfektionismus hat Isa in eine Essstörung getrieben. Über Jahre hinweg fühlte sie sich, als würde sie sich am Rande einer Klippe befinden. Wie sie wieder zu sich gefunden hat und was ihr größter Akt der Befreiung war, beschreibt sie in ihrem berührenden Blogbeitrag. 

Plötzlich sah ich mich

Es gab diesen einen Moment, in dem ich mich im Spiegel sah, mit zerrissener Haut, verfärbten Haaren und einem zerbrechlichen Körper. Ich saß auf dem Boden und hatte Schmerzen. Meine Sitzknochen stachen förmlich in die kalten Fliesen, so dünn war ich. Mein Magen tat weh. Ein Hungergefühl kannte ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Ich war ständig energielos. Es war, als wäre alle Lebendigkeit aus mir gewichen und hätte ein großes schwarzes Loch hinterlassen. Diese Leere machte mich wahnsinnig. Ich wollte nichts, mich interessierte nichts und fühlen konnte ich erst recht nichts. Mein Körper war zu konzentriert darauf, mich am Leben zu erhalten. Da war nicht mehr viel Kraft übrig, für so etwas wie Lachen oder Weinen. Bis dahin war alles in mir tot und still gewesen. Doch dieser Moment war anders. Plötzlich fühlte ich alles auf einmal und die Tränen kamen unaufhörlich. Es war eine überwältigende Trauer, die mich gleichzeitig motivierte. Ich hatte nicht mehr gewusst, ob ich überhaupt noch fähig war zu weinen. In diesem Moment realisierte ich, was ich da gerade durch das Hungern dabei war zu tun – und das wollte ich nicht.

Ich wollte Sicherheit

Alles was ich gewollt hatte, war wieder Sicherheit, Liebe, Bestätigung und das Gefühl, dass ich Leuten nicht egal bin, vor allem meiner Mutter nicht, die nur noch mit ihrem neuen Ehemann beschäftigt war. Irgendwie hatte ich gar nicht wahrgenommen, wie schnell und stark ich mich in nur einem Jahr verändert hatte. Es war, als würde sich der Filter, der über meinen Augen gelegen hatte, für einen kurzen Augenblick auflösen. Plötzlich war es mir möglich, meine zittrigen Beine, das fahle Gesicht und die kahlen Stellen auf meiner Kopfhaut wahrzunehmen.

Ich fühlte mich einsam

An diesem Punkt fühlte ich mich so unglaublich einsam. Ich war so dünn wie noch nie, hatte all die Ziele, die ich mir gesetzt hatte, erreicht und war trotzdem unglücklich und ausgelaugt. Die Essstörung hatte mich buchstäblich aufgefressen, körperlich und seelisch. Ich wusste, dass ich diese Einsamkeit selbst gewählt hatte. Es war mir bewusst, dass ich dieses Verhalten wieder umstellen konnte, auch wenn ich es schon so lange hatte. So, wie ich es damals doch auch von einem gesunden Umgang mit Essen zur Selbstzerstörung mit dessen Hilfe umgestellt hatte. Es war meine eigene Wahl, die ich zu jedem Zeitpunkt treffen konnte. Niemand würde sie mir abnehmen können, auch wenn ich es mir so sehr gewünscht hatte.

Alles ging schief

Ich weiß gar nicht mehr genau, wann der Tag war, an dem ich entschieden habe, dass ich alles dafür tun würde, perfekt zu sein. Irgendwie passte dieser Gedanke damals so gut in mein Leben. Alles ging schief. Meine Freunde waren nur noch am Feiern. Meine Mutter hatte einen Mann aus einem anderen Land geheiratet, mit dessen Mentalität ich mich sehr schwer tat. Da sie mich von einem Tag auf den anderen total vernachlässigte, musste ich mich auf einmal komplett um mich selbst kümmern. In meiner Heimatstadt fühlte ich mich unwohl und sehnte mich nach einer Familie, die intakt war und in der ich mich sicher und geliebt fühlen konnte.

Meine „tolle“ Idee

Ich suchte also etwas, um weiterhin zu funktionieren. Das war der Gedanke an diese perfekte Rolle, die ich mir selbst zusammenbastelte und von nun an spielen wollte. Meine Idee war, dass selbst wenn ich bestimmte Aspekte meines Lebens nicht beeinflussen kann, ich trotzdem einige kontrollieren und somit perfektionieren kann. Das war zum einen meine schulische Leistung und zum anderen mein Körper. Vielleicht kennst du diese Gedanken, dann findest du hier Rat und Unterstützung.

Es war alles berechenbar.

Fortan investierte ich viel Energie und Zeit in Lernen, ich  schrieb gute Noten, mein Selbstwert stieg. Eine ähnliche Gleichung ergab sich im Bezug auf meinen Körper: Eine gewisse Anzahl an Kalorien, so und so viele Minuten auf dem Crosstrainer, die gewünschte Kilometerzahl auf dem Laufband und das Ganze eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Tag: Am Ende zeigte die Waage ihr Ergebnis. Es war alles berechenbar.

Die Konsequenzen

Was ich nicht berechnen konnte, vernachlässigte ich. Es machte mir zu viel Angst. Ich konnte diese Ungewissheit nicht ertragen. Würden mich meine Freunde von einem Tag auf den anderen fallen lassen? Würde ich wieder verletzt werden? Ich konnte nicht kontrollieren, was die Leute zu mir sagen oder wie sie sich mir gegenüber verhalten würden und blendete persönliche Beziehungen mehr und mehr aus. Ich hatte mir meine kleine, sichere Kapsel erschaffen, die aus Regeln bestand, die ich unbedingt befolgen musste.

Ich hatte mir meine kleine, sichere Kapsel erschaffen.

Das hieß, ich stand so früh wie möglich auf, bereitete mir ein möglichst kalorienarmes Gericht zu, investierte viel Zeit in mein Erscheinungsbild, aß eine Hand voll Obst und raste dann wie eine Irre mit dem Fahrrad zur Schule.Es mussten ja frühmorgens schon möglichst viele Kalorien verbrannt werden. In der Schule spannte ich, während ich auf meinem Stuhl saß, so oft wie möglich einige Muskelpartien an, während ich parallel dazu versuchte, dem Unterricht zu folgen, mich möglichst oft zu melden und nebenbei die Hausaufgaben für die kommenden Tage zu erledigen. Generell musste ich immer auf alles vorbereitet sein, da mich sonst die Angst davor überkam, nicht gut genug zu sein und aus der Fassung gebracht zu werden. Diese „Fassung“ war mein Ein und Alles und musste unbedingt bewahrt werden.

Sowas esse ich gerade mal zur Vorspeise!

Oft fühlte ich mich an den Rand dieser Selbstkontrolle getrieben. Es war als stünde ich am Rand einer Klippe voller Panik, meine unterdrückten Gefühle nicht mehr zurückhalten zu können und damit bildhaft herabzustürzen. Bereits nach der zweiten Schulstunde bekam ich einen beißenden Hunger, der mich bis zur Mittagspause nicht mehr losließ. Wenn ich dann die zweite Hälfte meines Frühstücks zum Mittagessen aß und meine Freunde Kommentare abließen wie: „Sowas esse ich gerade mal zur Vorspeise! Wieso kombinierst du alles so komisch und warum bist du so penibel mit deinem Essen?“ , fühlte ich mich dahingehend bestätigt, dass ich genug tat, um nicht so reinzuhauen und „außer Kontrolle zu sein“ wie die Anderen. Wenn sie mir sagten, wie dünn ich doch sei und wie extrem es mittlerweile sei, war ich zufrieden. Nach einem restlichen Tag voller Sport, Lernen und der genauen Kalkulation meiner Kalorien fiel ich schließlich völlig fertig ins Bett.

Die Folgen meines Wahns

All das eskalierte ziemlich schnell und ich wurde trotz guter Noten und dem Gewichtsverlust immer verbissener. Jetzt im Nachhinein fällt mir auf, dass ich keine Ahnung hatte, was ich mir da gerade wirklich antat. Wie schnell meine Gedanken von Selbsthass erfüllt und mein Verhalten zwanghaft wurde. Wenn ich bestimmte Ziele nicht erreichte, zum Beispiel eine gewisse Anzahl an verbrannten Kalorien pro Tag, wurde ich panisch. Ich musste mir alles erst verdienen, sei es ein Apfel oder ein Schluck Wasser. Vor allem Liebe musste sich erarbeitet werden. Das tägliche Kalorienziel wurde niedriger, die Minutenanzahl, die ich mit dem Fahrrad zur Schule brauchte, musste jeden Tag wenn möglich getoppt werden und auch meine Erwartungen in Hinsicht Noten wurden höher geschraubt.

Chaos um mich herum

Um mich herum entstand mehr und mehr Chaos. Manche Leute reagierten sehr gereizt auf mich, weil sie mich nicht verstanden und sie meine ehrgeizige Art provozierte. Am Ende waren sie, glaube ich, einfach überfordert und wussten nicht, wie sie mir hätten helfen können. Diese Reaktionen bestärkten mich jedoch nur noch mehr darin, mich weiter zurückzuziehen. Ich fühlte mich unverstanden. Infolgedessen sank mein Selbstwert noch mehr, da ich mir einredete, dass mich sowieso niemand liebe, was natürlich nicht der Fall war, wie mir heute bewusst ist. Folglich fand ich mich in einem Kreislauf aus Hungern, dem Konsumieren von Massen an Essen und dem anschließenden Versuch, das Gegessene wieder loszuwerden, wieder. Derweil wollte mein Körper doch nur endlich Nahrung, um sich zu regenerieren. Doch für mich waren die Essattacken Angriffe seinerseits, da sie doch bewirken würden, dass ich zunahm.

Ich fühlte mich unverstanden.

Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, brauchte unglaublich viel Willensstärke. Dem Hunger nachzugeben und mich anderen Menschen zu öffnen, nachdem ich Jahre in Selbsthass und mit der Angst vor anderen Menschen verbracht hatte, fiel mir nicht leicht. Auf der anderen Seite war es so eine Erlösung, endlich essen zu können, nicht mehr eine der Besten sein zu müssen und loslassen zu dürfen. Es ging dabei gar nicht so sehr darum, sich für die Heilung zu entscheiden. Es ging darum, sich für das Leben an sich zu entscheiden, in dieser Welt mit diesem System. Ich hatte mich so lange verstecken wollen, da mich das alles zu sehr überwältigt hatte. Weder hatte ich mir zugetraut, mein Abitur zu machen, noch einmal für mich selbst zu sorgen. Demzufolge glaube ich, dass ich mich durch meine Essstörung gegen alles, was mir Angst machte, wehren wollte und sie als einen Fluchtweg nutzte, um nicht so viel über meine Realität nachdenken zu müssen.

Ich durfte loslassen

Meine Lösung nach diesem Moment, in dem ich mich das erste Mal seit langem so richtig im Spiegel gesehen hatte, war also, das genaue Gegenteil von dem zu tun, was bisher meine „Überlebensstrategie“ war. Anstatt zu hungern, aß ich. Anstatt mich zu isolieren, ging ich auf Reisen und sprach Leute an, schloss Freundschaften. Ich versuchte alles, um den Fluchtweg „Essstörung“ nicht mehr zu brauchen.

Es gab Rückschläge und Menschen verletzten mich. Ich bereute, wozu ich mich entschieden hatte und doch wusste ich, dass die Alternative keine Option mehr war. Ich ließ mich zunehmen und sah es als Teil des Heilungsprozesses. Außerdem achtete ich darauf, viel mit Menschen zu unternehmen, die mir wirklich guttaten, die gesund waren, damit ich mich von ihnen inspirieren lassen und mir abschauen konnte, wie das „normale Leben“ ist. Nach und nach nahm ich mehr Rücksicht auf mich, auch wenn es mir schwerfiel.

Mein Bauchgefühl schrie mich an

Als ich beispielsweise 2017 anfing zu studieren, wollte ich mich wieder in eine Rolle quetschen und versuchte alles dafür zu tun, wieder die Kontrolle zu haben. Ständig hatte ich das Gefühl, dass sich alles wiederholte und sank dabei tiefer und tiefer in ein Loch. Mein Bauchgefühl schrie mich förmlich an, dass dies nicht der richtige Weg war. Doch es war gut, dass das alles passierte, denn so wurde mir klar, dass ich bestimmte Ideale noch nicht losgelassen hatte und mich noch nicht wirklich selbst lieben und so akzeptieren konnte, wie ich war.

Der größte und wichtigste Schritt meiner Genesung

Also beschloss ich nach zwei Semestern mein Studium abzubrechen. Mein erster großer Akt der Selbstliebe, der endlich mal fällig war. Das Ausmaß der Freude, die ich die zwei Wochen nach meinen Abbruch gespürt hatte und wie jede Zelle meines Körpers mich förmlich dafür feierte, dass ich mich dafür entschieden hatte, war genug Bestätigung. Das war der größte und wichtigste Schritt meiner Genesung, denn dadurch fing ich an, Dinge FÜR mich zu tun und es mir wert zu sein.

Das Leben heute

Heute gibt es noch oft Situationen, Tage und sogar Wochen, in denen ich komplett überfordert bin. Dann tendiere ich dazu, wieder an meinem Wert zu zweifeln und in alte Gedanken- und Verhaltensmuster zu fallen. Nun kann ich jedoch auf meine Sensibilität mehr Rücksicht nehmen. Dennoch ist es noch ein weiter Weg, bis ich voll und ganz psychisch stabil bin. Eine Therapie werde ich bestimmt noch machen, da mir noch einige Ängste geblieben sind. Doch ich kann ehrlich von mir sagen, dass ich die Essstörung losgelassen habe.

Auf diese Weise kann ich frei sein und Gutes für mich tun, anstatt ständig gegen mich zu kämpfen. Diesen Kampf habe ich freiwillig verloren. Dafür werde ich mir für immer dankbar sein.

Schreib uns

Jil

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Klinik für Essstörung: Vorurteile und eigene Erfahrungen

Quelle: privat

Caroline hatte oft das Gefühl, dass sie sich für ihre Klinikaufenthalte schämen muss. In diesem Beitrag räumt sie mit Vorurteilen auf und sagt auch: Kliniken für Essstörungen sind nichts Schlimmes, nur leider auch keine Garantie für dauerhafte Heilung. Was sie erlebt hat.

DU SUCHST AUSTAUSCH MIT ANDEREN?

In unseren Selbsthilfegruppen kannst du dich mit anderen über Körper, Essen, Selbstwert oder Ängste unterhalten und gegenseitige Unterstützung erfahren.
Melde dich direkt hier dafür an!

Klinik, Krankenhaus, Klapse, Psychiatrie, Psychosomatik, Therapie-Zentrum…, wer lange genug sucht, findet noch eine Menge mehr Begriffe für den Ort, an den jemand geht, der Zuhause nicht mehr seiner Essstörung fertig wird. Und gleich vorweg: Es ist kein Versagen, sich Hilfe zu holen, Hilfe zu bekommen oder anzunehmen.

Zu mir und meinen Aufenthalten: Ich selbst war zweimal in Psychosomatischen Kliniken, die auf Essstörungen spezialisiert waren. In der ersten, Anfang 2018, war ich sieben Wochen stationär. Das heißt, ich habe in der Klinik gewohnt und meine Familie nur am Wochenende gesehen. In der zweiten Klinik war ich Anfang 2019 nochmals zwölf Wochen stationär. Falls du gerade selbst überlegst, ob eine Klinik das richtige für dich ist, findest du hier unkompliziert Rat und Hilfe.

Vorurteile gibt es in vielen Bereichen, bloß habe ich das Gefühl, es gibt besonders viele rund um Kliniken. Die unten aufgeführten Vorurteile sind mir so oder so ähnlich auch begegnet. Ob in meinem Freundeskreis, in der Schule oder bei Verwandten. Bei mir kam dann immer das Gefühl auf, dass man mich nicht versteht, dass Kliniken „komisch“ sind oder dass ich mich dafür schämen müsste. Deshalb möchte ich nun versuchen, mit einigen dieser Vorurteile aufzuräumen.

Beispielsweise, dass…

… man in einem Stuhlkreis sitzt und alle zur Begrüßung im Chor deinen Namen sagen – so wie bei den Anonymen Alkoholikern.

Das kann ich nach meinen persönlichen Erfahrungen nicht bestätigen. Es gibt Gruppentherapie, wo auch meist in einem Kreis gesessen wird, das allerdings nur, damit man allen zuhören kann. Diese „typische“ Begrüßung ist mehr ein verbreiteter Filmmythos, der noch dazu ziemlich einstudiert wirkt.

… man mit Essen vollgestopft wird und dann nach Hause geht.

Für Außenstehende mag es immer so einfach klingen: Gibt den Menschen doch einfach was zu essen, und alles ist wieder gut. Allerdings ist das „nicht essen wollen“, meist nur ein Symptom. Dahinter steckt eine psychische Erkrankung. In einer Klinik geht es aber trotzdem auch darum, wenn es nötig ist, wieder ins Normalgewicht zu kommen. Dies ist ganz individuell nach Größe und Alter berechnet. Und ja, dafür muss man essen, allerdings nicht in übermäßigen Mengen oder nur Fast Food. Man wird wieder an ein normales Essverhalten mit geregelten Zeiten gewöhnt. Für einige ist ein Bestandteil des Aufenthalts die Gewichtszunahme, für mich war es das damals auch. Allerdings ist das nicht das einzige Ziel, sondern vor allem die Therapie und das Herausfinden der Hintergründe, warum man in die Essstörung gerutscht ist.

… man rauskommt und dann geheilt ist.

Auch das kann ich nur nach meinen persönlichen Erfahrungen beschreiben. Jeder Mensch braucht seine individuelle Zeit. Trotzdem ist eine Klinik auch nur Schritt auf einem langen Weg der Besserung. Auch mein Umfeld hat gedacht, dass ich wieder die bin, die ich vorher war, wenn ich den Aufenthalt beende. So, als wäre nichts gewesen. Das ist allerdings nicht möglich. Man verändert sich in diesem Prozess, was auch gut ist. Manche brauchen keine Klinik, damit es besser wird. Manche brauchen, zwei, drei oder mehr Anläufe. Die Klinik ist wie eine Glocke, ein sicherer Hafen, ein Paralleluniversum. Zuhause ist dann die Aufgabe, das Gelernte umzusetzen.

… man dort nur unter „Gestörten“ und „Verrückten“ ist.

Auch das habe ich oft gehört. Man lebt dort mit Menschen, die ähnliche Probleme haben wie man selbst. Wie in einer Schulklasse kann man dort sehr gute Freunde finden, aber auch Menschen treffen, die man danach nie wiedersieht. Jeder hat mit seinen Schwierigkeiten zu kämpfen, aber man ist so viel mehr als seine Krankheit und definiert sich deshalb ja nicht nur dadurch. Es kann helfen, mit Menschen zusammen zu sein, die deine Ängste und Sorgen teilen, die vielleicht besser nachvollziehen können wie es dir geht, als dein Umfeld Zuhause. Es kann aber auch anstrengend sein, tagtäglich mit den Problemen von anderen konfrontiert zu sein.

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Kliniken sind nichts Schlimmes

Was ich damit ausdrücken möchte: Kliniken sind nichts Schlimmes, nur leider auch keine Garantie für dauerhafte Heilung. Rückfälle gehören dazu, das habe ich selbst auch erfahren. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Trotzdem heißt das nicht, dass man Angst vor einem stationären Aufenthalt zu haben braucht. Es sind Erfahrungen, es gibt dir Hilfestellung und du befasst dich nochmal ganz anders mit dir und deinen Problemen.

Falls du selbst in nächster Zeit in eine Klinik gehst: Versuche dich darauf einzulassen. Es ist eine Chance, etwas zu verändern. Nur du selbst kannst die Entscheidung treffen, gesund zu werden, niemand kann das für dich tun.

Falls du jemanden in deinem Umfeld hast, der in eine Klink geht: Versuche, ihm einfach zur Seite zu stehen, und verteufle die Klinik nicht von vorneherein. Dies verunsichert ungemein, und kann alles noch viel schwieriger machen.

Mir selbst hat vor allem mein zweiter Aufenthalt sehr viel gebracht. Beim ersten Mal in einer Klinik war ich davon überzeugt, gesund zu sein, ohne mein Zielgewicht erreicht zu haben. Ich wollte alles alleine schaffen.

Auf’s Gesundwerden fokussieren

Beim zweiten Mal habe ich dann bis zum Ende durchgezogen, und bin danach nicht sofort wieder in alte Muster zurückgefallen. Man ist in einer Klinik in einer ganz neuen Umgebung, und kann sich nur auf sich und aufs Gesundwerden fokussieren. Durch Arbeits- oder Schulstress wird das oft hintenangestellt. Auch ist es für mich persönlich, und auch für viele andere gut gewesen, diese Menge an Gewicht mit ständiger Unterstützung zuzunehmen. Es dauert nämlich eine Weile, sich mit seinem „neuen“ Gewicht abzufinden.

Seid ehrlich zu euch!

Aber auch für Leute mit Bulimie oder Binge-Eating-Störung, wo kein Untergewicht im Spiel ist, kann ein Klinikaufenthalt ratsam sein. Die Verantwortung wird erstmal von einem genommen und dir Schritt für Schritt wieder zurückgeben. Du wirst auf deinen Alltag vorbereitet. Die Bulimie (Ess-Brech-Sucht) ist eine Sucht, bei der es zu Heißhunger-Attacken kommt. Es werden in kurzer Zeit große Menge an Nahrung konsumiert, die durch Erbrechen, exzessiven Sport oder Abführmittel ausgeglichen werden. Bei Binge Eating wiederum hat man selbst nicht mehr die Kontrolle über sein Essverhalten und konsumiert eine große Menge Nahrung in kürzester Zeit. Dabei werden allerdings keine gewichtsreduzierenden Maßnahmen.

Ein letzter Rat von mir: Seid ehrlich zu euch! Nur dann könnt ihr die Essstörung hinter euch lassen. Leugnen und Verheimlichen, wie es einem geht und wie es läuft, trägt nur zur Aufrechterhaltung der Krankheit bei.

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Peerberaterin Anna

Anna

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Quelle: StockSnap/Pixabay

Was können Freunde bei einer Essstörung tun?

Quelle: privat

Katha

Wenn im Freundeskreis oder in der Familie jemand an einer Essstörung erkrankt, dann ruft das unterschiedlichste Reaktionen hervor. Katha hat es erlebt und die Beteiligten um Tipps gebeten.

In unseren Selbsthilfegruppen kannst du dich mit anderen über Körper, Essen, Selbstwert oder Ängste unterhalten und gegenseitige Unterstützung erfahren.
Melde dich direkt hier dafür an!

„Mann, hat die abgenommen!“ flüsterte mir eines Abends eine Freundin ins Ohr. Gemeint war damit ein Mädchen aus unserem Freundeskreis, die, wie sich bald herausstellen sollte, kaum noch Nahrung zu sich nahm und exzessiv Sport machte, um möglichst dünn zu werden.

Hat die abgenommen!

Erfährt man von einer befreundeten oder verwandten Person, dass diese unter einer Essstörung leidet, fällt es vielen schwer angemessen zu reagieren. Mir ging es selbst nicht anders. Das liegt dabei oft schlicht und einfach daran, dass man selbst nicht weiß, was überhaupt eine angemessene oder richtige Reaktion wäre. Dies kann dann schnell zu einem Gefühl der Hilflosigkeit oder Überforderung führen. Man möchte gerne helfen, aber findet nicht die richtigen Worte oder wird vielleicht sogar bei seinem Versuch abgewiesen.

 

Um zu wissen womit man es eigentlich zu tun hat, hilft ein Grundwissen über die verschiedenen Formen der Krankheit.

Was ist eine Essstörung eigentlich?

Das Thema Essstörung wird in unserer Gesellschaft oft als Tabuthema behandelt, über welches man eigentlich auch gar nicht genauer Bescheid wissen möchte, da es unangenehm ist und nie einen selbst betrifft, richtig?

Falsch! Tatsächlich kann praktisch jeder irgendwann an einer Essstörung erkranken. Vor allem unter jungen Menschen kommt diese Krankheit weitaus öfter vor als man glauben mag. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen etwa 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland zumindest Symptome einer Essstörung.

Dabei ist Essstörung nicht gleich Essstörung: Es gibt verschiedene Formen der Krankheit, die sich je nach Symptomen und Umständen unterscheiden.

Da gibt es zum einen die am besten bekannte Magersucht. Der oder die Betroffene isst dabei so wenig und kalorienarm wie möglich (oder gar nicht mehr), um immer weiter Gewicht zu verlieren und dünner zu werden. Oft haben diese Personen ein völlig falsches Bild vom eigenen Körper und empfinden sich selbst noch dann als zu dick, wenn sie bereits untergewichtig sind.

Das Ziel, möglichst dünn zu sein, wollen auch jene erreichen, die unter Bulimie, auch Ess-Brech-Sucht genannt, leiden. Anstatt überhaupt nicht mehr zu essen, erbrechen die betroffenen Personen das zu sich genommene Essen wieder. Damit werden dem Körper wichtige Nährstoffe vorenthalten, außerdem leiden Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse unter der ständigen Belastung.

Zu Essanfällen kommt es auch bei der Binge-Eating-Störung. Hier hat der Betroffene das Essverhalten nicht mehr unter Kontrolle und kann auch dann nicht aufhören, wenn der Magen schon längst voll ist. Allerdings wird das Gegessene meist nicht erbrochen.

Am häufigsten treten aber Mischformen aus den oben genannten Arten auf, oftmals werden diese außerdem von weiteren psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen begleitet.

Gerade deshalb kann es manchmal schwer sein, eine Essstörung gleich als diese zu erkennen; denn schließlich hat fast jeder schon einmal zu viel gegessen oder eine Diät versucht. Dazu kommt, dass die Erkrankten oftmals gelernt haben, ihr Essverhalten oder den ausgemergelten Körper zu verstecken, sodass es lange dauern kann, bis Familie oder Freunde auf das Dilemma aufmerksam werden.

Genau das war das Problem

So war auch mir das Problem eines mir nahestehenden Mädchens erst aufgefallen, als sie schon untergewichtig und kaum mehr sie selbst war. Ich haderte mit mir, ob ich sie darauf ansprechen sollte, denn ich hatte irgendwie das Gefühl, es sollte mich nichts angehen. Doch ich hielt es für notwendig. Sie stritt es anfangs ab, doch bald brach sie in Tränen aus und erzählte mir, dass sie sich nach dem Essen immer schuldig fühle und sich als viel zu dick empfand. Ich war etwas überfordert mit dieser Antwort, obwohl ich mir etwas Ähnliches schon gedacht hatte. Unsicher, ob es überhaupt helfen würde, bot ich an von nun an darauf zu achten, dass sie zumindest zu jeder Mahlzeit etwas zu sich nahm, auch wenn es nur ein Apfel war. Sie willigte ein, aber es funktionierte nicht besonders gut.

An meinen Freunden störte mich damals vor allem, dass es kaum jemanden gab, der versuchte die Situation, in der sich unsere Freundin befand zu verstehen und nachzuvollziehen. Stattdessen wurde ihr vorgeworfen, nur auf Aufmerksamkeit aus zu sein und unnötig viel Wert auf ihr Aussehen zu legen. Andere wiederum begannen auf sie einzureden, um sie davon zu überzeugen doch endlich wieder richtig zu essen. Als dies nicht funktionierte, gaben sie frustriert auf und ignorierten das Problem gänzlich. Als Reaktion darauf zog sich unsere Freundin immer mehr zurück und es wurde zunehmend schwieriger, zu ihr durchzudringen.

Sinn dieses Textes soll aber nicht sein, Menschen für ihr Verhalten zu verurteilen. Er soll lediglich aufzeigen, wie schwierig es sein kann, richtig zu reagieren und für Betroffene wie auch Angehörige zu gegenseitigem Verständnis führen. Denn oft geht es nicht nur den Erkrankten nicht gut, sondern auch den Personen die ihnen nahestehen und mit ansehen müssen, wie es ihnen zunehmend schlechter geht. Eine Essstörung belastet also im schlimmsten Fall gleich mehrere Personen.

DU HAST Redebedarf?

Unsere ehrenamtliche Peer-Beratung ist für dich da. Hier kannst du jederzeit in WhatsApp jemandem schreiben.

Wie kann ich richtig helfen?

Vorschnelle Urteile und Probleme zu verharmlosen, bringt keinen weiter und ist nicht gerade hilfreich. Sensibles Verhalten hingegen kann sowohl euch als auch der betroffenen Person ein besseres Gefühl geben.

Bemerkt ihr bei einer Person in eurem Umfeld Anzeichen, die auf eine Magersucht hindeuten können, sprecht sie ruhig darauf an. Dies sollte allerdings in einem stillen und privaten Umfeld geschehen, in dem ihr euch beide wohlfühlt. Der Pausenhof ist eher nicht der richtige Ort für ein solches Gespräch. Sowohl dabei, als auch sonst im Umgang mit diesem Thema ist es wichtig, keine Anschuldigungen zu formulieren. Negative Sätze wie „Du bist ja viel zu dünn, dass sieht gar nicht mehr schön aus!“ führen zu noch mehr Unsicherheit statt zu Verständnis. Viel wichtiger ist es, eure Unterstützung zu versichern und als Ansprechpartner zu fungieren. Oft ist den Betroffenen sogar schon bewusst, dass ihr Essverhalten nicht gut oder normal ist, doch sie trauen sich nicht, mit jemandem darüber zu sprechen und Hilfe zu suchen. Dabei könnt ihr nun eine erste Anlaufstelle sein. Um die Situation, in der sich euer Freund oder Familienangehöriger befindet besser nachvollziehen zu können, ist es hilfreich sich genauer über die Erkrankung zu informieren. Empfehlenswerte Websites sind zum Beispiel folgende:

Ihr sollt jedoch keinesfalls die Rolle eines Therapeuten übernehmen und Diagnosen stellen oder Essenspläne aufstellen. Stattdessen ist es hilfreich, wenn ihr immer ein offenes Ohr bieten könnt und in besonders schweren Zeiten Trost und Umarmungen spendet. Außerdem könnt ihr auch auf Hilfsangebote verweisen, jedoch sollte dies ohne Druck geschehen. Solche Angebote findet ihr zum Beispiel hier auf dem Blog unter „Redebedarf„.

Erfahrungen aus dem Freundeskreis

Keiner weiß besser, welche Verhaltensweisen wirklich geholfen haben, als jemand, der selbst schon einmal mit einer solchen Erkrankung zu kämpfen hatte. Aus diesem Grund möchte ich nun sowohl eine solche Person als auch zwei ihrer Freunde zu Wort kommen lassen, die ihre Erfahrungen und Tipps teilen.

Viele haben sich verhalten, als wüssten sie es besser.

 

Wie hat dein näheres Umfeld auf deine Krankheit reagiert?

Sehr unterschiedlich. Viele wollten mir zum Beispiel vorschreiben, wie ich damit umzugehen habe und haben sich verhalten, als wüssten sie alles besser.

Aber ich habe auch viel Sorge und Aufmerksamkeit erfahren, einige haben mich so gut es ging unterstützt. Es war zwar nett, dass auch Menschen versucht haben sich um mich zu kümmern, aber eigentlich wollte ich nur in Ruhe gelassen werden. Einige haben eben dann sehr versucht, mir sich und ihre Meinung aufzudrängen und das hat mich eher negativ beeinflusst.

Ist es dir schwer gefallen, mit anderen darüber zu sprechen oder um Hilfe zu bitten?

Ja, vor allem am Anfang als ich die Krankheit selbst nicht als solche empfunden habe. Ich merkte erst, dass ich etwas ändern muss, als ich realisierte, dass ich alleine nicht mehr davon wegkomme.

Großen Anteil daran hatte meine große Schwester. Sie sagte mir irgendwann ins Gesicht, dass es so nicht mehr lange weitergehen könne. Ab diesem Moment begann ich es selbst im Spiegel zu sehen, auch wenn ich es noch immer nicht als so drastisch erkannte wie es tatsächlich war. Auch durch die Hilfe und Aufmerksamkeit meiner Schwester merkte ich, dass ich einen Therapeuten brauchte.

Wer und was konnten dir in dieser Zeit helfen?

Es half vor allem, Verständnis und Unterstützung zu erfahren. Manchmal funktionierte es auch, wenn man mir etwas zu Essen hinstellte und mir dann aber nicht beim Essen zuschaute. Ein kleiner Schubs in die richtige Richtung konnte helfen, aber nur wenn man mich dabei nicht bevormundete. Am meisten hat mir aber schließlich die Therapie geholfen.

Und was hat sich eher negativ auf dich und die Situation ausgewirkt?

Wenn jemand weniger gegessen hat als ich. Es wurde bald zu einer Angewohnheit zu beobachten wer wieviel isst. Hatte eine Person weniger auf dem Teller als ich, löste das so etwas wie einen depressiven Schub aus. Auch wenn ich zum Beispiel auf Instagram gesehen habe, dass andere viel Sport gemacht haben, hat mich das traurig gemacht. Manchmal gab es auch unangebrachte Kommentare. Wenn jemand nichts von meiner Krankheit versteht, sollte er lieber gar nichts dazu sagen.

Was kannst du Angehörigen bezüglich ihres Verhaltens raten?

Man sollte nicht glauben, dass man es besser weiß als die Person, die sich selbst in der Situation befindet. Wenn man so etwas nicht selbst erlebt hat, weiß man nicht wie schwer es ist, mit der ständigen Angst vor Triggern zu leben, die die alten Gedanken und Verhaltensweisen wieder auslösen können, und wie anstrengend es sein kann gegen diese eigenen Gedanken zu kämpfen.

Es hilft, wenn man Unterstützung erfährt und immer einen Ansprechpartner hat, aber ohne dass dieser einen zum Reden (oder Essen) zwingt. Es ist gut, wenn Freunde fragen wie sie helfen können anstatt mir ungefragt eine Meinung aufzuzwingen. Empfehlt auch professionelle Hilfe wenn es nötig ist, allerdings muss der oder die Erkrankte das dann auch wollen damit es funktioniert.

Wichtig für mich ist, dass ich nicht ständig beobachtet werde. Wenn ich bemerkt habe dass jemand aus meinem Umfeld mich oder mein Essverhalten inspiziert hat, habe ich erst recht nicht gegessen.

Ich habe versucht, ihr kleine Dinge abzunehmen.

Wie hast du von der Essstörung der Betroffenen erfahren?

Es ist mir ehrlich gesagt zu lange nicht aufgefallen, bis man es nicht mehr übersehen konnte. Dann habe ich auch schnell daran gedacht, dass es am Essen liegen könnte. Irgendwann hat sie mit mir darüber gesprochen und gesagt, dass sie sich immer schlecht fühlt wenn sie etwas gegessen hatte und oft den Drang hat, sich danach zu übergeben.

Was war deine erste Reaktion?

Ich habe mir Sorgen gemacht. Sie wirkte schon länger bedrückt und ausgelaugt und ich kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie sehr anfällig für Stress ist. Aber ich habe mich auch gefragt ob ich überhaupt der richtige Ansprechpartner für so etwas bin.

Hast du das Gefühl gut oder zumindest ausreichend über Essstörungen informiert zu sein?

Eigentlich hatte ich das schon, aber als ich mit dieser Situation konfrontiert wurde, musste ich die Ansicht hinterfragen. Ich kenne mich mit den Fakten aus, aber das hat mir nur bedingt geholfen.

Wie hat sich dein Verhalten gegenüber der Betroffenen aufgrund der Essstörung verändert?

Ich wurde vorsichtiger. Außerdem habe ich versucht, möglichst oft nach ihren Bedürfnissen zu fragen oder ihr kleine Dinge abzunehmen. Aber manchmal fiel es mir schwer, geduldig zu bleiben wenn sie immer weiter litt und sich nichts besserte.

Würdest du dich rückblickend anders verhalten?

Ich würde versuchen, noch mehr auf sie einzugehen. Vielleicht von Anfang an fragen was ich noch tun kann.

Wie schätzt du generell die Hilfe ein, die die Person aus ihrem Umfeld erhalten hat?

Das kann ich nur bedingt beurteilen. Gerade ihre engen Freundinnen haben sich schon viel Mühe gegeben ihr zu helfen. Auch einige Lehrer haben ein Auge auf sie gehabt Aber es gab leider nicht nur Menschen, die nett zu ihr waren. Es wurde auch über sie geredet. Ich glaube viele tun sich mit diesem Thema etwas schwer.

 

Ich sehe mich nicht in der Position. ihr einen Rat geben zu können.

Wie hast du von der Essstörung der Betroffenen erfahren?

Es gab einen Zeitpunkt, an dem sie ihr Gewicht und ihr bis dahin gewohntes Aussehen massiv verändert hatte. Ab da wurde dies öfter auch im Freundeskreis zum Gesprächsthema. Das Gerücht, dass es sich um Bulimie oder zumindest eine Form der Essstörung handelt, wurde dann von einer ihr nahestehenden Freundin bestätigt.

Was war deine erste Reaktion?

Mein erstes Gefühl war Ratlosigkeit und ich war etwas verblüfft. Meiner Meinung nach wurde sie dadurch nicht schöner, so wie sie es sich vielleicht erhoffte. Ich konnte und wollte irgendwie auch keine gute Hilfestellung geben. Ich selbst bin übergewichtig und glaube vor allem deshalb nicht, dass ich ihr (Ernährungs-)tipps geben sollte.

Hast du das Gefühl gut oder zumindest ausreichend über Essstörungen informiert zu sein?

Ich denke über die physische Komponente bin ich ausreichend informiert. Allerdings sind die psychischen Vorgänge mir zuweilen unschlüssig und schwer nachvollziehbar.

Wie hat sich dein Verhalten gegenüber der Betroffenen aufgrund der Essstörung verändert?

Mein Fokus auf ihre Essgewohnheiten und ihren allgemeinen Zustand stiegen. Ich habe auch versucht jegliche Themen, die mit Essen zu tun haben, zu vermeiden wenn sie dabei war. Ich denke, die meisten haben sie ein bisschen genauer beobachtet als sonst.

Würdest du dich rückblickend anders verhalten?

Nein, denn ich sehe mich nach wie vor nicht in der Position, ihr da Rat geben zu können.

Wie schätzt du generell die Hilfe ein, die die Person aus ihrem Umfeld erhalten hat?

Hilfestellung von Seiten des Freundeskreises war teilweise gegeben. Was die Familie anging, bin ich mir nicht sicher, aber da schien manchmal die Unterstützung zu fehlen. Ich selber kannte aber auch keine Aufklärungs- oder Hilfestellen, wo man sich hätte informieren können.

Es zeigt sich also, dass eine solche Erkrankung sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Am wichtigsten ist deswegen eine ständige und ehrliche Kommunikation zwischen allen Parteien. Nur so konnte ich meiner Freundin die Unterstützung geben, die ihr auch wirklich weiterhalf. Mit einer solchen Krankheit konfrontiert zu werden, kann sehr einschüchternd sein. Es ist nicht schlimm wenn ihr erstmal nicht wisst, was zu tun ist, denn nicht nur für die Betroffenen sondern auch für deren Freunde und Familie ist es ein langer Weg zu lernen, wie man die Krankheit hinter sich lassen kann.

Es sollte uns natürlich stets bewusst sein, dass alleiniges Engagement von Seiten des Partners/der Partnerin oder der Familie nicht alles ist. Denn sind wir mal ehrlich: Die wenigsten von uns sind ausgebildete Psychiater und wissen, wie man eine Essstörung heilt. Trotzdem sollte man den eigenen Einfluss nicht unterschätzen. Dass die Betroffenen Unterstützung und Verständnis erfahren, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, vor allem da Magersucht und ähnliche Krankheiten auch heute noch oft nicht ernstgenommen werden und es Erkrankten dadurch schwerer fällt, sich jemandem anzuvertrauen.

Keine Anleitung

Zuletzt darf nicht unerwähnt bleiben, dass natürlich jede Person anders ist und andere Bedürfnisse hat. Dementsprechend sollte dieser Artikel weniger als eine wortwörtliche Anleitung und mehr als ein Richtungsweiser gesehen werden. Ich weiß, dass es frustrierend sein kann, jemanden leiden zu sehen, der einem nahesteht. Es gibt keine einfache Lösung, mit der ihr eine Person von ihrer Essstörung befreien könnt. Aber ihr könnt für sie da sein. Denn wie heißt es so schön: geteiltes Leid ist halbes Leid. Und halbes Leid lässt sich schon viel besser ertragen als ganzes.

 

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Mandy Phan

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