Depressionen: Wie ich wieder zu mir zurückfand
Bist du sicher, dass du nicht einfach nur traurig bist? Eine Frage, die nicht nur ich, sondern auch viele andere Betroffene hören, wenn sie zum ersten Mal davon erzählen, dass sie glauben unter Depressionen zu leiden. Sind Depressionen also, wie viele in meinem Umfeld dachten, nicht einfach nur Traurigkeit? In diesem Beitrag erzähle ich euch meine Geschichte.
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Eben nicht einfach nur traurig!
Leider glauben sehr viele, dass depressive Menschen einfach nur faul sind, keinen Ehrgeiz haben, und all diese Vorurteile. Trotz des Unverständnisses vieler Menschen, steigt die Zahl der Betroffenen stetig. So leiden laut des Bundesgesundheitsministeriums weltweit rund 350 Millionen Menschen unter der Krankheit und damit ist sie zur Volkskrankheit aufgestiegen. Doch was bedeutet es depressiv zu sein? Und gibt es eine Chance auf Heilung? Klar, traurig ist jeder mal, aber das geht irgendwann vorbei. Traurig und wütend zu sein war für mich allerdings ein normaler Zustand. Jede Nacht wünschte ich mir, nicht wieder aufzuwachen. Zu leben war für mich unerträglich. Nach außen hatte ich keine wirklichen Probleme. Ich hatte gute Noten, ging gerne zur Schule und hatte Freunde. Meine Wutanfälle hob ich mir für die Menschen auf, die mir am nächsten standen und meine Traurigkeit ließ ich nur raus, wenn ich alleine war. Die Traurigkeit und die Wut wurden alleinnehmend. Suizidgedanken und Selbstverletzung waren Teil des Ganzen. Jahrelang ging das so. Über die Jahre veränderte es sich und die Wutanfälle wurden eher zu einem Leeregefühl. Aber die Wut gegenüber mir selbst blieb. Leben fühlte sich für mich eher nur wie überleben an.
Depressionen erkennen: Wann sollte ich mir Hilfe holen?
Depressionen haben viele Gesichter und können durchaus unterschiedlich verlaufen. Es ist auch schwierig zu wissen, wann normale Gefühle wie Traurigkeit oder Wut zu einem kritischen psychischen Zustand werden. Grundsätzlich ist es immer sehr wichtig mit vertrauten Personen über Probleme, Zweifel und Ängste zu sprechen. Wenn du aber merkst, dass deine Gefühle und Verhaltensweisen dir schaden, du nicht mehr alleine damit zurechtkommst und dir auch keine Gespräche mit vertrauten Personen helfen, solltest du dir professionelle Hilfe suchen. Je früher, desto besser. Für mich kam die Einsicht leider erst ziemlich spät. Jahrelang habe ich stets nach dem Motto „Es geht noch“ gelebt, eine Ausflucht in Alkohol, Partys oder Reisen gesucht. Bis es irgendwann nicht mehr ging und auch diese Dinge nichts mehr unterdrücken konnten. Das Leiden wurde so stark, dass ich mich vor fast drei Jahren dazu entschied, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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Welche Hilfsmöglichkeiten gibt es?
Diese Entscheidung veränderte für mich alles. Zum ersten Mal wollte ich nicht nur überleben, sondern wirklich leben. Ich begann eine Psychotherapie und da war zum ersten Mal eine Person, die mir das Gefühl gab, verstanden und ernst genommen zu werden. Ich lernte, über meine Gefühle, Gedanken und Probleme zu reden. Mit der Zeit fing ich an, auch andere Dinge auszuprobieren. Ich begann zu meditieren, schloss mich einer Online-Coaching-Gruppe eines früheren hinduistischen Mönchs an und probierte alternative Heilmethoden wie Hypnose und Aufstellungsarbeit – eine Art Visualisierung von sozialen Beziehungen – aus. Vor allem letztere haben mir unglaublich geholfen. Prinzipiell denke ich, dass der erste Schritt immer sein sollte, sich anderen Menschen anzuvertrauen und vor allem professionelle Hilfe aufzusuchen. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass für jeden unterschiedliche Dinge funktionieren und es deshalb wichtig ist, Verschiedenes auszuprobieren. Nicht jedem hilft eine konventionelle Psychotherapie und es gibt viele alternative Methoden, die vor allem mir sehr geholfen haben. Falls du also nicht sofort das Richtige für dich findest, gib nicht auf, sondern probiere dich weiter aus. Der Weg zur Besserung ist genauso individuell wie die Krankheit selbst.
Sind Depressionen heilbar?
Die Entscheidung für das Leben hat für mich alles verändert. Trotzdem war es ab da kein steiler Weg nach oben. In den letzten drei Jahren gab es auch Phasen, in denen es mir wieder schlechter ging. Allerdings hatte ich gelernt, mir Hilfe zu holen und nicht mehr so lange zu warten. Jede schlechte Phase half mir noch eine Stufe tiefer in meinem Heilungsprozess zu kommen. Jede Phase war wichtig, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Natürlich bin ich mittlerweile auch mal traurig oder wütend, aber ich erlebe diese Gefühle jetzt ganz anders. Es ist kein Dauerzustand mehr, der meine komplette Realität einnimmt, sondern es sind Gefühle, die genau wie alle anderen Gefühle nach einer Zeit vorbei gehen. Ich bin aber auch sehr vorsichtig geworden. Ich achte sehr auf meine Gefühle und Gedanken, rede darüber und schütze mich in Zeiten, die eventuell schwierig sein könnten. Auch bin ich besonders vorsichtig bei der Auswahl der Menschen geworden, mit denen ich mich umgebe.
Ich glaube fest daran, dass Heilung möglich ist. Wie genau der Weg verläuft, ist meiner Meinung nach aber sehr individuell. Wichtig ist, die Hoffnung nicht zu verlieren, immer wieder neue Dinge auszuprobieren, wenn man merkt, dass man nicht weiterkommt und vor allem, mit vertrauten Personen darüber zu reden. Ich sehe Heilung auch nicht als etwas an, was plötzlich vorbei ist, mit dem man irgendwann fertig ist. Für mich ist es eher ein lebenslanger Prozess, in dem man sich stets weiterentwickelt.
Warum ich heute für die schwierigste Zeit in meinem Leben dankbar bin
Auch heute weine ich oft, wenn ich an die Zeit denke, in der ich mir täglich gewünscht habe, nicht mehr zu existieren. Meistens sind es aber Freudentränen, weil ich so dankbar bin für das Leben, das ich jetzt habe. So sehr zu leiden, hat mich gezwungen mich mit mir selbst einschließlich aller Gedanken und Gefühle auseinanderzusetzen – genauso wie an den Beziehungen zu meiner Familie und meinen Freunden zu arbeiten. Ich kann heute sagen, dass ich immer mehr und mehr lerne, mich selbst zu lieben und dass ich unglaublich starke und tiefgründige Beziehungen zu den Menschen in meinem Umfeld habe. Ständig meine Gedanken und Gefühle zu reflektieren, zu verstehen und letztlich umzuwandeln, hilft mir auch, andere Menschen besser zu verstehen und ihnen in schwierigen Situationen zu helfen.
Wenn man unter einer psychischen Krankheit leidet, denkt man oft, man sei ganz allein und niemand würde einen verstehen. Dabei gibt es so viele Menschen, die Ähnliches durchmachen und sich genauso wenig trauen, darüber zu reden. Seitdem ich offen damit umgehe, gibt es so viele Menschen in meinem Umfeld, die mir erzählen, dass sie ähnliche Probleme hatten oder haben. Generell denke ich, dass wir alle Probleme haben und viel offener damit umgehen sollten – unabhängig davon, ob man einen Namen für das Leiden hat oder nicht. Um an sich und seinen Beziehungen zu arbeiten, muss man nicht an einer psychischen Krankheit leiden, aber leider ist es oft so, dass wir Menschen erst anfangen, uns zu ändern, wenn das Leiden zu stark ist. Auch wenn die meisten Jahre meiner Jugend und des jungen Erwachsenenalters von Suizidgedanken, Wut und Trauer geprägt waren, bin ich unglaublich dankbar dafür, dass ich dadurch gezwungen wurde, mein Leben und mich selbst ständig zu reflektieren. Für mich begann vor drei Jahren eine Reise, auf der ich vermutlich mein Leben lang sein werde. Die Reise zurück zu mir zu mir.
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Julia Steppat
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